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Gewollte Undichtigkeit

Das Lüftungskonzept kann bei einer Modernisierung oder bei einem Neubau über das Gelingen des Feuchteschutzes entscheiden

Bild 1: System der Wohnungslüftung.

Bild 2: Zwei Beispiele für Außenluftdurchlässe an einem Fensterfalz.

Bild 3: Lüftungsstufen nach DIN 1946-6 am Beispiel der Querlüftung zum Feuchteschutz für einen Neubau.

Bild 4: Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz in Abhängigkeit von ANE.

Bild 5: Gegenüberstellung des Luftvolumenstroms für den Feuchteschutz und des Luftvolumenstroms durch Infiltration für eine eingeschossige Nutzungseinheit.

Bild 6: Gegenüberstellung des Luftvolumenstroms für den Feuchteschutz und des Luftvolumenstroms durch Infiltration für eine mehrgeschossige Nutzungseinheit im Modernisierungsfall.

Bild 7: Gegenüberstellung des Luftvolumenstroms für den Feuchteschutz und des Luftvolumenstroms durch Infiltration für eine zu errichtende mehrgeschossige Nutzungseinheit.

Tabelle 1: Vorgabewerte des Auslegungs-Luftwechsels nach DIN 1946-6.

Tabelle 2: Vorgabewerte für die Auslegungs-Druckdifferenz nach DIN 1946-6.

 

Mit der zunehmenden Dichtheit der Wohngebäude kann ein ausreichender Luftwechsel zum Bautenschutz ausschließlich durch Infiltration nicht mehr gewährleistet werden. Dies ist der Grund dafür, dass für Neubauten und zu modernisierende Wohngebäude auf Basis der DIN 1946-6 grundsätzlich ein Lüftungskonzept zu erstellen ist. In dem folgenden Beitrag wird ausgeführt, wie in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen festgestellt wird.

Die zunehmende Luftdichtheit der Gebäude führt dazu, dass man sich auch im Wohnungsbau mit dem Thema Lüftung auseinandersetzen muss. Dies zu allererst, um den hygienischen Anforderungen in den Wohnungen gerecht zu werden. Dazu gehören die Begrenzung der Luftfeuchtigkeit, die Abfuhr sonstiger Emissionen aus Möbeln, Baustoffen usw. sowie auch die Begrenzung der CO2-Konzentration im Raum. Zusätzlich gilt es, die Lüftungswärmeverluste zu verringern, um Energie zu sparen, und Gebäudeschäden durch Feuchteschäden zu vermeiden.
Aus dieser Entwicklung heraus wurde die DIN 1946 Teil 6 [1] überarbeitet und im Mai 2009 neu herausgegeben. Mit dieser Regel der Technik sind grundsätzlich für zu errichtende Wohngebäude und bestehende Wohngebäude, die im Rahmen von Modernisierungen lüftungstechnisch relevante Änderungen erfahren, Lüftungskonzepte zu erstellen. Aufgabe eines solchen Lüftungskonzepts ist, in einem ersten Schritt die Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen zu prüfen.
Sollten diese erforderlich werden, wird in einem nächsten Schritt ein Lüftungssystem ausgewählt. Dabei werden unter lüftungstechnischen Maßnahmen sowohl Einrichtungen zur ventilatorgestützten als auch zur freien Lüftung verstanden (Bild 1). Als freies Lüftungssystem kommt im Neubau üblicherweise eine Querlüftung über Außenluftdurchlässe (Bild 2) oder Fensterfalzlüfter zur Anwendung. Bei den ventilatorgestützten Systemen findet im Wohnungsbau die reine Zuluftanlage keine Anwendung, da sie einen Feuchteausfall in der Baukonstruktion oder in den Bau­elementen verursachen kann.
Zielsetzung einer lüftungstechnischen Maßnahme ist, dass mindestens ein nutzer­unabhängiger Luftwechsel für den Feuchteschutz sichergestellt werden kann. Auf diese Weise sollen Feuchte- und Schimmelpilzschäden aufgrund unzureichender Lüftung wegen zeitweiliger Abwesenheiten der Nutzer vermieden werden. Bei der Auswahl entsprechender Maßnahmen sollen bauphysikalische, lüftungs- und gebäudetechnische sowie hygienische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden. Die unterschiedlichen Lüftungsstufen der DIN 1946-6 sind beispielhaft für eine Querlüftung zum Feuchteschutz in Bild 3 dargestellt.

Lüftungstechnisch relevante ­Maßnahmen
Für alle zu errichtende Wohngebäude ist grundsätzlich durch ein Lüftungskonzept festzustellen, ob lüftungstechnische Maßnahmen erforderlich sind. Es sei denn, es ist beispielsweise ohnehin eine Lüftungsanlage vorgesehen. Im Rahmen von Modernisierungen ist ein Lüftungskonzept jedoch nur zu erstellen, wenn die geplanten Maßnahmen lüftungstechnisch relevant sind. Im Sinne der Norm sind sie relevant, wenn in Ein- und Mehrfamilienhäusern mehr als ein Drittel der vorhandenen Fenster ausgetauscht bzw. in Einfamilienhäusern mehr als ein Drittel der Dachflächen abgedichtet werden.
Dabei wird davon ausgegangen, dass das zu modernisierende Gebäude einen n50-Wert von 4,5 h-1 aufweist (4,5-facher Luft­austausch pro Stunde). Bei bestehenden Gebäuden mit einer besseren Luftdicht­heit können also bereits auch Maßnahmen geringeren Umfangs als lüftungstechnisch relevant betrachtet werden.
Für Mehrfamilienhäuser bezieht sich die Definition lüftungstechnisch relevanter Maßnahmen auf das gesamte Gebäude. Hier weicht die Norm von ihrer eigentlichen Betrachtungsebene ab: Die Anforderungen an die Lüftung beziehen sich nämlich immer auf die einzelne Nutzungseinheit. Das Erfordernis, die Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen festzustellen, ergibt sich aber bereits, wenn ein Wohnungseigentümer einer Eigentumswohnanlage nur die Fenster seiner Wohnung austauscht oder wenn in einer Dachgeschosswohnung das Dach erneuert wird. Daher sollten zumindest im Zusammenhang mit jeder lüftungstechnisch relevanten Sanierungsmaßnahme die gegebenenfalls erforderlichen Anpassungen des vorhandenen Lüftungskonzepts untersucht werden.

Wer darf Lüftungskonzepte erstellen?
Jeder Fachmann, der in Planung, Ausführung oder Instandhaltung von lüftungstechnischen Maßnahmen oder in der Planung und Modernisierung von Gebäuden tätig ist, kann nach DIN 1946-6 ein Lüftungskonzept erstellen. Für den Fachmann, der im unmittelbaren Kundenkontakt steht, aber die Planung von Lüftungskonzepten nicht anbieten möchte, hat jedoch zumindest darauf hinzuweisen, dass ein solches erstellt werden sollte. Für den Planer und Handwerker bedeutet dies, dass er in seinen Planungs- oder Angebotsunterlagen auch immer auf die Erstellung eines Lüftungskonzeptes hinweisen sollte.
Der Bauherr kann sich allerdings auch gegen die Umsetzung eines Lüftungskonzeptes entscheiden, da es für ihn keine ordnungsrechtliche Verpflichtung gibt. Die Energieeinsparverordnung verlangt lediglich, dass der Mindestluftwechsel sicherzustellen ist. Das Wie ist nicht geregelt. Als Vermieter oder Verkäufer einer Wohnung oder eines Wohngebäudes kann im Schadensfall der Verzicht auf eine lüftungstechnische Maßnahme jedoch gegen diesen verwendet werden.

Lüftungstechnische Maßnahmen
In einer Nutzungseinheit sind lüftungstechnische Maßnahmen dann erforderlich, wenn der notwendige Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz (qv, ges, NE, FL) größer ist als der Luftvolumenstrom durch Infiltration (qv, inf, wirk). Der Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz ist nur abhängig vom Wärmeschutzstandard des Gebäudes sowie der Fläche der Nutzungseinheit ANE. Eine Auswertung ist in Bild 4 dargestellt.
Für Gebäude, deren baulicher Wärmeschutz mindestens den Anforderungen der Wärmeschutzverordnung (WärmeschutzV) 1995 entspricht, kann „Wärmeschutz hoch“ angenommen werden. Für alle anderen Gebäude gilt „Wärmeschutz niedrig“. In einem unsanierten Gebäude aus den 1970er-Jahren beträgt demnach für eine Nutzungseinheit mit 60 m² der Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz etwa 35 m³/h (Bild 4). Wenn das Gebäude mindestens den Anforderungen der WärmeschutzV 1995 genügt, ist jedoch nur ein nutzerunabhängiger Volumenstrom von etwa 25 m³/h sicherzustellen. Aus dem Diagramm ist weiterhin ersichtlich, dass für Nutzungseinheiten bis 30 m² ein konstanter Luftvolumenstrom anzunehmen ist.
Solange der Luftvolumenstrom für den Feuchteschutz durch Infiltration sichergestellt wird, sind auch keine lüftungstechnischen Maßnahmen erforderlich. Dies ist bei unsanierten Gebäuden meist der Fall. Aus bekannten Gründen soll aber im Rahmen von Sanierungen auch die Gebäudedichtheit verbessert und somit der unkontrollierte Luftwechsel durch Infiltration minimiert werden.
Für die Feststellung der Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen im Rahmen des Lüftungskonzeptes nach DIN 1946-6 kann der Luftvolumenstrom durch Infiltration vereinfacht wie folgt berechnet werden:
qv, inf, wirk = 1,25 · ANE · n50 · (Dp/50)2/3
Dabei ist:
qv, Inf, wirk: wirksamer Volumenstrom durch Infiltration in m³/h
ANE: Fläche der Nutzeinheit in m² (bei einer Raumhöhe von 2,5 m)
n50: Gebäudedichtheit in h-1
?p: Auslegungsdifferenzdruck
für eingeschossige Nutzereinheit: windschwache Gebiete = 2 Pa, windstarke Gebiete = 4 Pa,
für mehrgeschossige Nutzereinheit: windschwache Gebiete = 5 Pa, windstarke Gebiete = 7 Pa
Für den Luftwechsel bei 50 Pa Druckdifferenz können Vorgabewerte entsprechend Tabelle 1 oder auch Messwerte angenommen werden. Die Vorgabewerte für die Auslegungsdruckdifferenz Dp werden für freie Lüftung angenommen und sind in Tabelle 2 angegeben.
Bei eingeschossigen Nutzungseinheiten handelt es sich typischerweise um Nutzungseinheiten in Mehrfamilienhäusern. Dagegen handelt es sich bei mehrgeschossigen Nutzungseinheiten vorrangig um Einfamilienhäuser. Die Windgebiete sind im Anhang H der DIN 1946-6 dargestellt.
Nach einer lüftungstechnisch relevanten Maßnahme in einer eingeschossigen Nutzungseinheit ist, wenn kein Messwert bekannt ist, ein n50-Wert von 1,5 h-1 anzunehmen. Für dieses Szenario erfolgt in Bild 5 eine Gegenüberstellung von qv, ges, NE, FL und qv, inf, wirk.
Für den Fall, dass es sich um ein Gebäude mit „niedrigem“ Wärmeschutz handelt, sind unabhängig vom Windgebiet und der Fläche immer lüftungstechnische Maßnahmen erforderlich. Handelt es sich um ein Gebäude, das einen „hohen“ Wärmeschutz aufweist, wären an windstarken Standorten ab einer Fläche von etwa 135 m² keine lüftungstechnischen Maßnahmen erforderlich. Daraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass bei lüftungstechnisch relevanten Modernisierungsmaßnahmen in eingeschossigen Nutzungseinheiten grundsätzlich lüftungstechnische Maßnahmen vorzusehen sind.
Die Betrachtungen zu einer mehrgeschossigen Nutzungseinheit erfolgen wegen des unterschiedlichen n50-Wertes differenziert nach Modernisierung und Neubau. Für die Modernisierung ist die Gegenüberstellung in Bild 6 zu sehen.
Infolge der höheren Werte für den Luftwechsel n50 und der Auslegungsdruckdifferenz Dp sind in zu sanierenden Einfamilienhäusern lüftungstechnische Maßnahmen grundsätzlich nur zu berücksichtigen, wenn sich das Gebäude in einer windschwachen Gegend befindet, es einen niedrigen Wärmeschutz und eine Fläche von weniger als 75 m² aufweist. Für zu errich­tende mehrgeschossige Nutzungseinheiten (Bild 7) ist für den Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz nur der Fall „Wärmeschutz hoch“ zu betrachten. Aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild: In windschwachen Gebieten werden nur für Nutzungseinheiten mit weniger als 75 m² Fläche lüftungstechnische Maßnahmen erforderlich.

Fazit
Bei jeder energetischen Sanierungsmaßnahme, insbesondere wenn diese lüftungstechnisch relevante Maßnahmen beinhaltet, sollte entweder das bestehende Lüftungskonzept überprüft bzw. ein neues erstellt werden. Dabei liegt der Focus auf der Nutzungseinheit und nicht auf dem Gebäude. Das Gleiche gilt natürlich analog für Neubauten. Darüber hinaus sollte der Einfluss der Gebäudedichtheit durch Variieren des n50-Wertes betrachtet werden, um so auch nach Abschluss des Bauvorhabens den Luftvolumenstrom für den Feuchteschutz nutzerunabhängig sicherstellen zu können.

Literatur:
[1] DIN 1946-6 : Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung

Autor: Lutz Dorsch, Geschäftsführer der Dorsch und Hoffmann GmbH, Institut für Energieeffizienz, Erkrath

Bilder: Lutz Dorsch

www.i-f-ee.de

 


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