IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14/2004, Seite 48 ff.


RECHT-ECK


BGH-Urteil mit Folgen

ZVSHK-Arbeitskreis Recht empfiehlt, den Text der VOB Teil B ohne jeden Vorspann gegenüber dem Auftraggeber zu verwenden

RA F. W. Stohlmann

Für einiges Erstaunen und Unruhe sorgte die im März 2004 vom Arbeitskreis Recht innerhalb des ZVSHK ausgesprochene Empfehlung, Allgemeine Geschäftsbedingungen für Bauverträge mit dem SHK-Handwerk in der alten Form nicht mehr zu verwenden.

Die bisher verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bauverträge sahen auf der ersten Seite Regelungen zu Angebots- und Entwurfsunterlagen, zu den Preisen, zur Zahlung, zum Ausführungsbeginn und der Montage, zu Eigentumsvorbehalten, zur Abnahme, zum Gefahrenübergang, zur Haftung und zum Gerichtsstand vor. Der Leitsatz auf Blatt 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautete: Maßgebliche Vertragsgrundlage für alle von uns (Auftragnehmer) übernommenen Aufträge sind die beigefügten Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen, VOB Teil B, und die nachstehenden Geschäftsbedingungen; sie haben Vorrang vor abweichenden Bedingungen des Auftraggebers.

In dem Vorspann zum Text der VOB/B waren in einigen Punkten Abweichungen zur VOB/B enthalten.

Die neue Empfehlung des Arbeitskreises Recht im ZVSHK lautet, nur noch die VOB/B als Ganzes dem Vertrag zugrunde zu legen und daher nur noch den Text der VOB/B dem Auftraggeber zusammen mit dem Angebot zur Verfügung zu stellen, um der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu entsprechen. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 22. Januar 2004 entschieden, dass bei jeder vertraglichen VOB/B-Abweichung eine Inhaltskontrolle auch der Bestimmungen der VOB/B nach §§ 305 ff BGB eröffnet wird. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, ein Bauunternehmen, verlangte restlichen Werklohn in Höhe von ca. 16.600 DM von der Beklagten. Im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass sie die Schlussrechnung, die einen Restwerklohn von 44.330,02 DM auswies, auf 16.660,22 DM gekürzt habe. Sie teilte der Klägerin schriftlich mit, die Beklagte werde diesen Betrag als Schlusszahlung im Sinne von § 16 VOB/B leisten und wies in dem Anschreiben auch auf die entsprechende Ausschlusswirkung hin, soweit kein entsprechender Vorbehalt zuzüglich einer notwendigen Vorbehaltsbegründung erfolge. Rund 2,5 Jahre später wandte sich die Klägerin gegen die Abrechnung der Beklagten und bezifferte ihre restliche Werklohnforderung mit 18.474,21 DM. Das angerufene Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 16.769,01 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Dem Architekten als dem für die Rechnung zuständigen Prüfer, war der Streit verkündet worden. Gegen das Urteil des Landgerichts legte die Beklagte Berufung ein. Das zuständige OLG Schleswig wies die Klage ab. Allerdings ließ das Oberlandesgericht die Revision zu, sodass die Sache dann beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe weiterverhandelt wurde. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des OLG Schleswig auf und kam zu dem Ergebnis, dass Teile der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der VOB/B abweichen, sodass damit auch die Regelung gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B, bezogen auf die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung, unter die Inhaltskontrolle des damals geltenden AGB-Gesetzes falle. § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB Teil B sei damit eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Diese Bestimmung halte aber einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht stand, weil sie den Auftragnehmer im Verhältnis zu den allgemeinen Verjährungsvorschriften unangemessen benachteilige. Im Ergebnis wies der BGH das OLG Schleswig an, die Sache neu zu verhandeln, da jegliche vertragliche Abweichung von der VOB Teil B dazu führe, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist. Es komme nicht darauf an, welches Gewicht der Eingriff in die VOB/B habe.

Zwischenergebnis: Nur bei Vereinbarung der VOB/B im Ganzen ohne jegliche Abweichung können die Vertragsparteien darauf vertrauen, dass die VOB/B in ihrem Gesamtinhalt auch Geltung hat. Nach bisheriger Rechsprechung des Bundesgerichtshofes unterliegen die einzelnen Regelungen der VOB/B nach der Rechtsprechung zum Geltungsbereich des AGB-Gesetzes nicht der Inhaltskontrolle, wenn der Verwender die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkungen übernommen hat. Dieser bisherigen Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass die VOB/B einen billigen Interessenausgleich zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber bezweckt. Würden einzelne Regelungen der Inhaltskontrolle unterzogen, so könnte der bezweckte Interessenausgleich gestört sein. Die VOB/B ist deshalb der Inhaltskontrolle entzogen worden, wenn der von ihr verwirklichte Interessenausgleich durch die Vertragsgestaltung nicht wesentlich beeinträchtigt würde. Nach der jetzigen neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt jede (auch die kleinste) Abweichung von der VOB/B als Eingriff in dieses Gesamtvertragswerk (Rahmenvertrag), sodass alle Bestimmungen der VOB/B dann der Inhaltskontrolle des AGB-Gesetzes, heute in §§ 305 ff BGB geregelt, unterliegen.

So heißt es in dem BGH-Urteil vom 22. 01. 2004: "Aus der bisherigen Senatsrechtsprechung lassen sich keine greifbaren Kriterien dafür ableiten, wann eine von der VOB/B abweichende Regelung in den Kernbereich eingreift. Die vom Senat verwendeten Formulierungen haben sich nicht als brauchbares Abgrenzungskriterium erwiesen. Sie ermöglichen nicht die für den Rechtsverkehr erforderliche sichere Beurteilung, inwieweit ein vertragliches Regelwerk der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz unterliegt oder nicht. Nötig ist aber eine Rechtsanwendung, die für die Vertragsparteien eine verlässliche Prognose ermöglicht. Aus den bisherigen Entscheidungen ergibt sich, dass der BGH schon bei relativ geringfügigen Abweichungen einen Eingriff in den Kernbereich der VOB/B bejaht und tendenziell zu erkennen gegeben hat, dass grundsätzlich jede inhaltliche Abweichung einen Eingriff in die Ausgewogenheit der VOB/B darstellt. Diese Entwicklung ist im Interesse der Rechtssicherheit dahin abzuschließen, dass grundsätzlich jede inhaltliche Abweichung von der VOB/B als eine Störung des von ihr beabsichtigten Interessenausgleichs zu bewerten ist. Denn andernfalls wäre die im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen notwendige Transparenz (vgl. § 307 Abs. 1, Satz 2, BGB n. F.) nicht zu gewährleisten. Die VOB/B ist demnach nur dann einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz entzogen, wenn sie als Ganzes vereinbart worden ist. Es kommt nicht darauf an, welches Gewicht der Eingriff hat. Damit ist die Inhaltskontrolle auch dann eröffnet, wenn nur geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B vorliegen und auch unabhängig davon, ob eventuell benachteiligende Regelungen im vorrangigen Vertragswerk möglicherweise durch andere Regelungen "ausgeglichen" werden."

Auf den geschilderten Fall bezogen ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass ein entsprechender Eingriff in die VOB/B vorliege. § 14 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten weiche von § 13 Nr. 7 Abs. 1 und 2 VOB Teil B ab. Nach der Allgemeinen Geschäftsbedingung der Beklagten in dem vorliegenden Fall sollte der Auftragnehmer Schadenersatz unabhängig von der Erheblichkeit eines Mangels schulden und unabhängig von den einschränkenden Tatbeständen des § 13 Nr. 7 Abs. 2 VOB Teil B weitergehend haften. Durch diese Änderung der VOB-Bestimmung in § 14 Abs. 2 der Geschäftsbedingungen der Beklagten sei ein Eingriff in die VOB/B erfolgt, sodass die gesamten Regelungen der VOB/B der Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz unterlägen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB Teil B als unwirksame Bauvertragsklausel anzusehen.

Fazit

Der Arbeitskreis Recht hat in Konsequenz dieser neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unverzüglich den Beschluss gefasst, allen Landesverbänden und damit den Anschlussbetrieben zu empfehlen, nur noch den Text der VOB/B ohne den früheren Vorspann (siehe Seitenanfang) zu verwenden. Folgende Formulierung bei Übergabe eines Angebotes wird empfohlen:

Bei dieser Formulierung und der Übergabe des Angebotes sowie des Textes der VOB/B und anschließender Beauftragung durch den Auftraggeber wird ein wirksamer VOB/B-Auftrag abgeschlossen. Es besteht nicht die Gefahr, dass aufgrund etwaiger geringfügiger Abweichungen gegenüber der VOB/B aus dem oben geschilderten Vorspann bestimmte Regelungen der Inhaltskontrolle unterliegen. Bei Abweichung von der VOB/B in einem Punkt könnte dies zum Beispiel dazu führen, dass die Regelung in § 13 VOB/B zur vierjährigen Mängelhaftung unwirksam ist und die im Gesetz vorgesehene - längere - fünfjährige Mängelhaftung aufgrund der durchzuführenden Inhaltskontrolle gilt.

"Sehr geehrter Auftraggeber,
in der Anlage I überreichen wir unser Angebot bezüglich der vorgesehenen Arbeiten in Ihrem 10-Familienhaus in der XY-Straße in A-dorf. In Anlage II überreichen wir den Text der VOB/B - Fassung 2002. Sollte es zu einer Auftragserteilung kommen, so wird der Auftrag auf der Grundlage der VOB/B abgewickelt.

Mit freundlichen Grüßen
SHK Schlau GmbH"

Umgekehrt bedeutet dieses konsequente Urteil des Bundesgerichtshofes, dass auch die Auftraggeberseite, die bei Anwendung der VOB/B in anderen Bestimmungen von der VOB/B abweicht, sich bezüglich ihres gesamten Vertragswerkes der AGB-Kontrolle stellen muss. Im Ergebnis wird daher der klagende Unternehmer in dem geschilderten Klagefall aufgrund der Hinweise des Bundesgerichtshofes seinen Werklohn zugesprochen bekommen, weil die von der Beklagtenseite verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Abweichung zu den Bestimmungen der VOB/B enthielten und aus diesem Grunde auch § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B der Inhaltskontrolle des damaligen AGB-Gesetzes unterlag. Damit war eine Verwirkung des restlichen Werklohns in Höhe von 16.769,01 DM nicht eingetreten. Die Klägerin wird daher in dem Prozess, der nunmehr vom OLG Schleswig weiterzuführen ist, gewinnen und auch die gesamten Zinsen seit Zahlungsverzug der Beklagten erhalten. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist daher nachhaltig zuzustimmen, da die Abgrenzung, wann ein wesentlicher Eingriff in die VOB/B erfolgt und wann nicht, nun nicht mehr nötig ist. Jedwede Abweichung von den Bestimmungen der VOB/B führt daher zu einer gesamten Inhaltskontrolle der Bestimmungen der VOB/B und der übrigen Vertragsklauseln des Bauvertrages. Nur bei Zugrundelegung der VOB/B im Ganzen ohne Abweichung werden die Bestimmungen als billiger Interessenausgleich angesehen und haben daher in allen Punkten Bestand.

Abschließend weist der Verfasser darauf hin, dass alles Vorstehende nicht für Ergänzungen gilt, die nach den VOB/B-Bestimmungen möglich sind. So heißt es z.B. in § 13 Nr. 4 wie folgt: "Ist für die Gewährleistung keine Verjährungsfrist im Vertrag vereinbart, so beträgt sie . . . usw . . ."

Daraus folgt, dass die Vertragsparteien auch eine über 4 Jahre hinausgehende Gewährleistungsfrist, z.B. die 5-jährige Frist des Werkvertragsrechts gemäß § 634 a BGB - Arbeiten am Bauwerk -, vereinbaren können, ohne dass hierin ein Verstoß gegen die VOB/B zu sehen ist. Mögliche Ergänzungen der VOB/B - die der Verordnungsgeber ermöglicht - führen daher nicht zu einer Inhaltskontrolle nach den genannten Vorschriften der §§ 305 ff. BGB.


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