IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/2004, Seite 98 ff.


KLEMPNERTECHNIK


Dachrinnen und Fallrohre dimensionieren

DIN EN 12056-3 verlangt Nachweis für Ablaufleistung von Dachentwässerungen

Wolfgang Heinl

Zur Dimensionierung von Dachrinnen gilt die DIN EN 12056-3 als anerkannte Regel der Technik. Diese fordert einen hydraulischen Leistungsnachweis auf Basis des Gebäudestandortes und der örtlichen Niederschlagswerte, der gründliche Einarbeitung voraussetzt. Um den Zeitaufwand für den hydraulischen Nachweis zu verringern und Fehler zu vermeiden, kann die Rinnenbemessung auch mit Hilfe einer Berechnungssoftware gelöst werden.

Bereits seit Juni 2001 gilt die DIN EN 12056-3 als anzuwendende Norm zur Bemessung von vorgehängten und innen liegenden Dachrinnen und der zugehörigen Fallrohre. Die europäische Norm regelt die Grundsätze für die Planung und Bemessung von Dachentwässerungen teilweise völlig neu und stellt damit Planer wie Klempner vor neue Herausforderungen. DIN EN 12056-3 verlangt einen hydraulischen Nachweis über die Leistungsfähigkeit der Entwässerungsanlage. Ausgangsdaten sind der Gebäudestandort und die zugehörige örtliche Regenspende. Zur Bemessung von Regenentwässerungsanlagen sind dabei die Berechnungsregenspende und das Jahrhundertregenereignis zu unterscheiden.

Für die Bemessung von Dachrinnen ist nach DIN EN 12056-3 ein hydraulischer Leistungsnachweis zu erbringen. Dies gilt für vorgehängte und für innenliegende Rinnenentwässerungsysteme.
Bild: Rheinzink

Rinnendimensionierung nach der Wetterkarte

In Deutschland ist mit Einführung dieser europäischen Normung erstmals eine Regelung zur Bemessung von Dachentwässerungssystemen auf hydraulischer Grundlage gefordert. In der Vergangenheit war die Fehlbemessung von innen liegenden Rinnen eine häufige Ursache von erheblichen Bauschäden, sodass die Forderung nach rechnerischer Bemessung durchaus berechtigt scheint. Neu ist, dass zur Bemessung die regionalen Niederschlagswerte auf Basis der Daten des Deutschen Wetterdienstes herangezogen werden. Mit dem postulierten hydraulischen Nachweis soll letztlich den immer unberechenbarer werdenden Wetterkapriolen Rechnung getragen werden.

Richtlinien zur Umsetzbarkeit in die Praxis

Vorgehängte Dachrinnen wurden zuvor auf einer stark vereinfachten Grundlage nach DIN 18460 bemessen. Diese Norm wurde nach Veröffentlichung der DIN EN 12056-3 im Januar 2001 zurückgezogen. Die hydraulischen Bemessungsgrundlagen für innen liegende Rinnen sind darin jedoch so kompliziert aufgebaut, dass sie für die praxisorientierte Anwendung wenig geeignet sind. Der Nachweis über die richtig dimensionierte Entwässerung ist aufgrund der Komplexität nur nach intensiver Einarbeitung in die Norm möglich. Die nationale Restnorm DIN 1986-100 behandelt zudem nur die nach innen abgeführten Leitungssysteme der Dachentwässerung. Zur praxisorientierten Umsetzung der Rinnenbemessung mussten deshalb die DIN EN 12056-3 und DIN 1986-100 miteinander verbunden werden. Um Planern und ausführenden SHK-Fachbetrieben eine komplette und verständliche Richtlinie an die Hand zu geben, hatte der ZVSHK eine Fachinformation für die Anwendung der neuen Dimensionierungsregeln herausgegeben. Dazu hat die Fachhochschule Münster im Auftrag des ZVSHK neue Bemessungstabellen für die in Deutschland üblichen Rinnenformen und Leitungsdurchmesser entwickelt.

Gebäudestandort bildet Grundlage zur Bemessung

Der erste Schritt zur Bemessung von vorgehängten und innen liegenden Rinnen ist die Frage, an welchem Ort in Deutschland das Gebäude steht. Die Regenentwässerungsanlage wird für ein mittleres Regenereignis ausgelegt. Dieser so genannte Berechnungsregen soll eine ausreichende Bemessung sichern, um auch die immer häufigeren außergewöhnlich heftigen Regenfälle noch ableiten zu können. Die neuen Bemessungsrichtlinien unterscheiden deshalb deutlich zwischen vorgehängten und innen liegenden Dachentwässerungen. Zur Dimensionierung werden die aus DIN 1986-100 bekannten Werte für den "Fünfminutenregen" r(5,2) und r(5,100) herangezogen.

Tabelle 1: Abflussvermögen Q von runden Regenfallleitungen bei freiem Abfluss über Rinneneinhangstutzen.

Unterscheidung zwischen vorgehängten und innenliegenden Rinnen

Für vorgehängte Dachrinnen gilt der Berechnungsregen r(5,2). Damit wird das Regenereignis bezeichnet, das statistisch einmal in 2 Jahren innerhalb von 5 Minuten durch die Dachrinne gurgelt. Innen liegende Rinnen sind nach dem Jahrhundertregen r(5,100) zu bemessen, der einmal in 100 Jahren innerhalb von 5 Minuten die Kanalisationen flutet. Würden auch vorgehängte Rinnen nach dem Jahrhundertregen bemessen, wären diese unverhältnismäßig groß und hätten nach dem Wortlaut einer Dokumentation zur DIN EN 12056-3 "schlechte hydraulische Eigenschaften im Teillastbereich". Somit gibt es für vorgehängte Rinnen bei normgerechter Dimensionierung eine Kapazitätsgrenze. Stärkere Regenfluten gehen im wörtlichen Sinne darüber hinaus, denn die Dachrinnenwulst wirkt im Sinne der Norm gleichzeitig als Notüberlaufkante. Die Bauplanung muss deshalb berücksichtigen, dass planmäßig überlaufendes Regenwasser nicht über Lichtschächte den Keller überschwemmen kann.

Hydraulische Berechnung für Dachentwässerung

Die DIN EN 12056-3 befasst sich zunächst mit dem rechnerischen Abflussvermögen von Rinnen. Aus Berechnungsanleitungen der DIN lassen sich Gleichungen ableiten, die zwar die Ermittlung des Abflussvermögens notfalls auch ohne Grundkenntnisse der Strömungstechnik ermöglichen, für die Praxis aber dennoch nicht anwendbar sind. Das Dimensionierungsverfahren weist Parallelen zur hydraulischen Berechnung von Leitungsanlagen innerhalb von Gebäuden auf. So stellen beispielsweise Rinnenwinkel einen Strömungswiderstand dar, der das Abflussvermögen der Rinne reduziert. Maßgeblichen Einfluss haben auch industriell gefertigte Rinneneinhangstutzen. Für diese sei aber wegen der geometrischen Verhältnisse innerhalb des Rinnensystems eine hydraulisch basierte Berechnung nicht möglich. Deshalb gibt DIN EN 12056-3 hierfür Bemessungsempfehlungen aufgrund von Erfahrungswerten, die weitgehend den bisher in Deutschland verwendeten Werten aus der zurückgezogenen DIN 18460 entsprechen (siehe Tabelle 1). Zu beachten ist allerdings, dass der Einsatz eines Laubfangkorbes das Abflussvermögen des Rinnenablaufs um die Hälfte (!) reduziert.

Rinnenlänge als zusätzlicher Dimensionierungsfaktor

Die grundlegenden Berechnungsvorgaben für die praxisorientierte Bemessung einer Rinne reduzieren sich dann nur noch - wie bisher gewohnt - auf den Regenwasserabfluss (Q), die abflusswirksame Dachfläche (A) und den Abflussbeiwert (C). Hinzu kommt nach den neuen Bemessungsregeln, dass die Fließweglänge (L) Einfluss auf das Ergebnis nimmt. Beim häufigsten Anwendungsfall, der halbrunden vorgehängten Rinne, fließt die Länge als zusätzliche Variable ein: Je länger das Haus, desto größer die Rinne.

Die Firma Rheinzink stellt auf ihrer Internetseite ein kostenloses Online-Berechnungsprogramm zur Verfügung.
Bild: Rheinzink

Bemessung mit Hilfe von Berechnungssoftware

In der ZVSHK-Informationsschrift "Bemessung von vorgehängten und innen liegenden Rinnen" wurden die komplexen Planungs- und Bemessungsregeln so aufbereitet, dass eine relativ einfache und praxisorientierte Anwendung möglich ist. Der Infokasten zeigt ein Rechenbeispiel aus einer Dokumentation zur DIN EN 12056-3. Der Berechnungsvorgang erweist sich umfangreicher als nach der bisherigen Norm, sodass die Bemessung von Rinnen mit Hilfe von Tabellen recht zeitaufwendig ist. Die Entwicklung einer Software zur leichten und schnellen Berechnung von Rinnenentwässerungen erschien daher naheliegend. Vom ZVSHK wurde die Entwicklung eines Programms initiiert und fachlich begleitet. Nach derselben Logik, wie sie für die tabellarische Vorgehensweise gilt, arbeitet auch die Berechnungssoftware.

Entwickelt wurde das Programm auf Basisdaten der DIN EN 12056-3 und der Restnorm DIN 1986-100 vom Softwarehersteller Dendrit. Der Berechnungsvorgang beginnt auch hier zunächst mit der Auswahl des Gebäudestandorts. Das Programm greift anhand des Namens der Stadt automatisch auf die Berechnungsregenspende r(5,2) und das Jahrhundertregenereignis r(5,100) nach DIN 1986-100 zu. Zu Kontrollzwecken berechnet die Software noch die Mindestnennweite der weiterführenden Freispiegelleitung für einen Füllungsgrad von h/di = 0,7 und ein Rohrsohlengefälle von J = 1,0 cm/m.

Rinnenberechnung via Internet

Ein kostenlos nutzbares Online-Berechnungsprogramm bietet die Firma Rheinzink auf ihrer Homepage www.rheinzink.de. Der Hersteller von Dachentwässerungsprodukten hat damit das umfangreiche Thema der Bemessung durch die Entwicklung einer eigenen Berechnungssoftware gelöst. Auf Basis des gewählten Gebäudestandortes erstellt das Online-Programm einen spezifischen Nachweis mit Nennung der geeigneten Dachrinnengröße. Firma Rheinzink hat die Software zusätzlich um die Möglichkeit der Stücklistenerstellung erweitert. Auf Basis der Bemessung der Dachrinne erhält der Anwender automatisch die Produktauswahl mit den zugehörigen Artikelnummern der Produkte.


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