IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/2001, Seite 54 ff.


REPORT


Vorbildliches Solarprojekt:

Schüler zapfen die Sonne an

Von 1996 bis 1999 entstand die Solaranlage der "Kerschensteiner Schule", der Berufsbildenden Schulen II der Stadt Delmenhorst bei Bremen (BBS II). Über die Besonderheiten dieses Solarprojektes, das von Lehrern der Schule geplant, von zahlreichen Sponsoren finanziert und fast komplett in Eigenleistung erstellt wurde, handelt nachfolgender Bericht.

"Ziel des Projekts war es ursprünglich, umweltschonende und effiziente Solartechnik an der Schule zu nutzen sowie die Leistungsfähigkeit und das Langzeitverhalten verschiedener Kollektorsysteme zu vergleichen", erklärt Wolfgang Hoell, Berufsschullehrer an der BBS II gegenüber der IKZ-HAUSTECHNIK-Redaktion. Heute erhalten nicht nur alle Schülerinnen und Schüler der Schule Unterricht über Solartechnik, die Anlage steht auch außerschulischen Interessenten zu Informations- und Schulungszwecken zur Verfügung. So kommen beispielsweise regelmäßig auch Handwerksmeister mit ihren Kunden vorbei, um die unterschiedlichen Systeme in der Praxis zu erleben.

Gesamterträge (in kWh) der einzelnen Kollektoren vom 10.1.2000 bis 31.12.2000.

Die Kosten für die Erstellung der Solaranlage beliefen sich laut Hoell auf rund 600.000 DM. Finanziert wurde das Ganze durch zahlreiche Sponsoren wie beispielsweise die Stadt Delmenhorst sowie renommierte Hersteller und Institutionen. "Fast die gesamte Anlage wurde in Eigenleistung von den am Projekt beteiligten Lehrern und auch Schülern installiert — insgesamt mehrere tausend Arbeitsstunden sind da zusammen gekommen", berichtet Hoell nicht ohne Stolz.

Dass sich die Arbeit gelohnt hat, steht für den begeisterten Solarfachmann außer Frage. Und in der Tat, insgesamt vier Lehrküchen, die Räume für Körperpflege (Friseure) sowie die Teeküchen und Toilettenanlagen der Verwaltung und des Lehrerpersonals versorgt die seit Juni 1999 betriebene Solaranlage mit Warmwasser — rund 900 Liter pro Tag. Um diesen Bedarf zu decken, speisen die vier auf dem Dach montierten Kollektorsysteme ihre Wärme in zwei 500 Liter Speicher. Doch nicht alleine die Versorgung der Schule mit Warmwasser, sondern auch die messtechnische Erfassung aller relevanten Daten des Solarsystems stehen bei diesem Projekt im Fokus. Damit die unterschiedlichen Kollektorleistungen differenziert bewertet werden können, werden sämtliche Betriebsdaten der verschiedenen Kollektoren und Anlagenteile kontinuierlich über eine SPS-Steuerung erfasst und gespeichert. Die Aufzeichnungen können an den PC-Arbeitsplätzen im Arbeitsraum über einen Zeitraum von 12 Monaten abgerufen werden.

Aufbau eines SOLAMAX-Vakuumröhrenkollektors
(Fa. Solatherm, Augsburg).

Die Leistungserfassung und Bewertung der einzelnen Ertragsdaten hat noch einen weiteren Grund. Sie bietet die Basis für den zweiten Schwerpunkt des Projekts: Die Zusammenarbeit mit Herstellern und Handwerksbetrieben. So werden den beteiligten Herstellern der Solarkollektoren regelmäßig die Mess- und Leistungsdaten ihrer Produkte mitgeteilt. Und das macht Sinn, denn, "was in den Labors der Hersteller gemessen wird, sind manchmal reine Fantasiewerte", so Hoell, "wir dagegen können mit unseren in der Praxis gemessenen Werten objektive Vergleiche anstellen und so durch gezielte Aufklärung der Solartechnik zu einer höheren Akzeptanz verhelfen."

Mittlerweile sind an dem Projekt auch gut 20 heimische SHK-Betriebe beteiligt. Sie finanzierten die Erstellung der Solarhomepage und nutzen im Gegenzug die darin aufgeführten Betriebsergebnisse zur Kundenberatung und für ihre Werbung.

Aufbau eines MAZDON-Vakuumröhrenkollektors
(Gesamt Fa. Solatherm, Augsburg).

Betriebsergebnisse legen Schwachstelle offen

Insgesamt erwirtschafteten die Kollektoren im Zeitraum vom 10. 1. 2000 bis 31. 12. 2000 einen Ertrag von 4.753 kWh. Der Wärmebedarf für die Warmwasserbereitung betrug im gleichen Zeitraum knapp 7000 kWh. Unterm Strich eigentlich ein gutes Ergebnis, wären da nicht noch die Wärmeverluste für die Zirkulationsleitung, die mit fast 15000 kWh jeglichen Rahmen sprengen. "Wir waren zunächst ratlos und konnten uns diese extrem hohen Werte nicht erklären", so Hoell. Die Lösung fand sich schließlich in einem rund 160 Meter langen und nur einen halben Meter hohen Kriechkeller, in dem die Warmwasserleitungen über lange Strecken nahezu ungedämmt verlegt wurden. Glücklicherweise sind die Stadtväter trotz knapper Kassen einsichtig: Sie wollen die Leitungen demnächst ordnungsgemäß dämmen lassen. "Bis dahin nutzen wir die ungünstigen Betriebsverhältnisse aber noch so gut wir können", so Hoell, "und zwar als abschreckendes Beispiel für Energievernichtung."

Fließschema der Solaranlage.

 

Die eingesetzte Solartechnik in der BBS II

Insgesamt kommen in der Solaranlage der BBS II vier unterschiedliche Kollektor-Systeme zum Einsatz, deren Funktionsweise nachfolgend kurz erläutert werden soll.

1. Röhrenkollektor "Heatpipe"; Fabrikat Solatherm

Die Heatpipe-Glasröhre enthält ein Vakuum von 10-5 mbar, das einen Wärmetransport zwischen warmer Absorberfläche und Glasröhre verhindert. Der Absorber nimmt die Strahlungswärme der Sonne auf und leitet diese an das angeschweißte Wärmerohr weiter. In dem Wärmerohr befindet sich unter hohem Vakuum etwas Wasser, das durch die Erwärmung verdampft. Der Wasserdampf steigt in den Kondensator auf, wo die Wärme an die vorbeiströmende Wärmeträgerflüssigkeit abgegeben wird. Das dabei kondensierte Wasser läuft in dem Wärmerohr wieder nach unten und verdampft erneut. Erfolgt keine Wärmeabnahme aus dem Kondensator, unterbricht ein integrierter Thermostat diesen Kreislauf und begrenzt somit die Temperatur im Kondensator auf 130 °C.

Die Vorteile des Systems:

  • Kurze und einfache Dachmontage mit allem Zubehör für Schrägdach- oder Flachdachmontage.
  • Hoher Wirkungsgrad durch hohes Vakuum und TINOX-Beschichtung. Flexible Verbindung der Vakuum-Röhren zum Kondensator mit Edelstahl-Wellrohr.
  • Durch Drehen kann der Kollektor optimal zur Sonne ausgerichtet werden.
  • Die trockene Anbindung der Röhren ermöglicht den Ein- und Ausbau einzelner Röhren, ohne dass die Solaranlage entleert werden muss.
  • Begrenzung der Stillstandstemperatur auf 130 °C.

2. Röhrenkollektor "durchströmt", Fabrikat Solatherm

Der SOLAMAX-Kollektor arbeitet nach dem durchflossenen Prinzip. Eine Mindestdachneigung ist nicht erforderlich. Durch das Vakuum in der Glasröhre kann zwischen warmer Absorberfläche und Glasröhre kein Wärmetransport stattfinden. Der Absorber nimmt die Strahlungswärme der Sonne auf und leitet diese an das angeschweißte Wärmerohr weiter. Ein Trennblech teilt das angeschweißte Wärmerohr der Länge nach in zwei Kammern. Im Sammlerkasten befinden sich Solarvor- und Solarrücklauf. Die kalte Wärmeträgerflüssigkeit durchströmt parallel jede der 15 Vakuumröhren. Die Wärmeträgerflüssigkeit fließt in der unteren Kammer zum unteren Ende des Wärmerohres, wird dann umgelenkt und fließt in der oberen Kammer wieder zurück. Dabei nimmt die Wärmeträgerflüssigkeit die Wärme vom angeschweißten Absorberblech auf und transportiert sie zum Speicher (Solarvorlauf).

Die Vorteile des Systems:

  • Kurze und einfache Dachmontage mit allem Zubehör für Schrägdach- oder Flachdachmontage.
  • Hoher Wirkungsgrad durch Vakuum und TINOX-Beschichtung. Dadurch nutzt der Kollektor auch diffuse Sonnenstrahlung und eignet sich nicht nur zur Trinkwasser-Erwärmung, sondern auch zur Heizungsunterstützung.
  • Einbau in jeder Lage möglich (z.B. an einer Fassade); vorzugsweise sollte jedoch die senkrechte Montage gewählt werden. Seit Änderung der ursprünglichen waagerechten Einbaulage des Kollektors im März 2001 wurden seitdem deutlich höhere Erträge erzielt.

3. Flachkollektor, Fabrikat Vaillant

Das Kernstück dieses Kollektors ist der selektiv beschichtete Absorber, durch den die Wärmeträgerflüssigkeit strömt. Zur Verhinderung von Wärmeverlusten ist der Absorber gut wärmegedämmt. Nach oben hin ist er durch hoch transparentes Glas abgedeckt. Die einfallenden Sonnenstrahlen durchdringen die Glasabdeckung und werden vom Absorber in Wärme umgewandelt. Die durch den Absorber strömende Wärmeträgerflüssigkeit nimmt die Wärme auf und transportiert sie durch Rohrleitungen zum unteren Wärmeaustauscher des Solarspeichers. Hier wird die Wärmeenergie an das Trinkwasser abgegeben.

Die Vorteile des Systems:

  • Große Absorberfläche pro Kollektor (2,3 m2), daher großer Solarertrag.
  • Preiswerte Kollektoren.
  • In- und Aufdachmontage möglich.
  • Waagerechte oder senkrechte Montage möglich.

4. Speicherkollektor, Fabrikat Zeba

Diese Speicherkollektoren sind in das Dach eingebaut wie ein Dachflächenfenster. Diese Kollektoren vereinen die Funktion des Kollektors mit der des Wärmespeichers in einem Bauteil. Der Wärmespeicher wird gleichzeitig als Absorber benutzt und kann direkt an den Wasserkreislauf angeschlossen werden. Pumpen und Regelsysteme sind nicht erforderlich. Der Kollektor ist so konstruiert, dass einerseits durch die transparente Wärmedämmung wenig Wärme nach außen abgegeben wird und andererseits die auf den Kollektor auftreffende Solarstrahlung kaum behindert wird. Die Mantelfläche des Speichers dient als Absorberfläche, sie ist selektiv beschichtet. Die Speichertanks sitzen im Zentrum des Evolventenreflektors, der aus hochglanzpoliertem Aluminium besteht und die Sonnenstrahlung aus unterschiedlichen Winkeln aufnimmt.

Die Vorteile des Systems:

  • Einfaches Prinzip.
  • Keine Wärmeträgerflüssigkeit erforderlich.
  • Keine Pumpe erforderlich.
  • Keine Einfriergefahr des Speichers durch die Tageserwärmung des Speicherwassers.
  • Besonders für Ferien- und Wochenendhäuser (auch ohne Stromanschluss) geeignet.

 

Aufbau des Flachkollektors der Fa. Vaillant.

 

Blick in den Arbeitsraum. Hier werden sämtliche Informationen der Solaranlage gebündelt und ausgewertet.

 

Neben der thermischen Solaranlage verfügt die BBS II über eine Fotovoltaikanlage mit einer Fläche von 10 m2 und einer Nennleistung von 1kWpeak. Die Anlage, die im Rahmen des 100.000-Dächer-Programms gefördert wurde, hat im vergangenen Jahr eine Strommenge von 661 kWh ins öffentliche Netz eingespeist.

 

Internetinformationen:
www.solaranlage-bbs.de


B i l d e r :  Kerschensteiner Schule, Delmenhorst


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