IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 1/1996, Seite 68 ff.


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Sanitärarmaturen aus Mora/Schweden

Mit umweltfreundlichen Produktionsmethoden für den deutschen Markt gerüstet

Mora. Schweden. Wer mit dem Auto in die 20000 Einwohner zählende Gemeinde Mora einfährt, wird zunächst nicht glauben können, daß hier das Zentrum der schwedischen Sanitärarmaturen liegt. Denn der Baustil - Ein- bis Zweifamilienhäuser mit den charakteristischen roten Holzfassaden - läßt eher auf ein beschauliches Urlaubsgebiet schließen als auf eine wirtschaftlich leistungsfähige Region. IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Detlev Knecht konnte sich ein eigenes Bild über den Motor der schwedischen Sanitär-Wirtschaft, den Armaturenhersteller MA Mora Armaturenfabrik, machen. Hier sein Bericht.

Angefangen hatte alles im 18. Jahrhundert: Um sich einen Nebenerwerb in der landwirtschaftlich schwachen Gegend aufzubauen, hatte die einheimische Bevölkerung begonnen, Großuhren aus Messing zu fertigen. Etwa 100 Jahre später, nämlich 1876, wurde dann der erste Zapfhahn (als Armatur konnte man ihn noch nicht bezeichnen) in Mora hergestellt. Das nächste wichtige Datum war 1927: In diesem Jahr wurde die Firma MA Mora gegründet. Selbstredend bearbeitet man zunächst ausschließlich den heimischen Markt, bis man sich Anfang der 70er Jahre entschloß, auch europäische Länder zu beliefern. In Deutschland wird Mora seitdem vertreten durch die WSV GmbH in Norderstedt bei Hamburg. Von hier aus geschieht der Vertrieb der Armaturen, ausschließlich an den Fachhandwerker.

Vollautomatische Produktion eines Maschinenwerkzeugs.

Umweltverträgliche Produktion

In Mora werden nahezu alle Armaturen für den deutschen Markt hergestellt; lediglich die Einhebelmischer für Küchen, Unterputz-Armaturen und Zweigriffarmaturen kommen aus einem Produktionsstandort in Dänemark. Auf 25000 m2 fertigen rund 350 Mitarbeiter 500 bis 600000 Armaturen im Jahr. Bis vor einiger Zeit waren noch 400 Personen beschäftigt. Aber die Automatisierung macht auch in einem idyllischen schwedischen Ort nicht halt. Besonders zu begrüßen ist das Verhalten der Geschäftsleitung, den Personalabbau zu gestalten. Denn auf Entlassungen wird verzichtet. Die Anzahl der Mitarbeiter reduziert sich "natürlich", d.h., daß beispielsweise freiwerdende Arbeitsplätze nicht wieder besetzt werden.

Eine eigene Abteilung beschäftigt sich ausschließlich mit der Konstruktion und Herstellung der Maschinenwerkzeuge. CAM (Computer Aided Manufacturing) heißt hier das Stichwort: Die Konstrukteure bedienen sich eines Computersystems, das auf die industrielle Fertigung maßgeschneidert ist. Mit ihm lassen sich alle Werkzeuge für die Fertigungsmaschinen am Bildschirm konstruieren. Dies bedeutet eine wesentliche Vereinfachung in der Planungsphase. CAM ist prinzipiell zu vergleichen mit CAD (Computer Aided Design), das hierzulande Sanitär- und Heizungsbetriebe im Zeichnungsbüro einsetzen.

Kontrolle der Oberflächenbeschaffenheit nach automatischer Politur.

Ebenso wie die Maschinenwerkzeuge werden die beim Gießereiprozeß nötigen Sandkerne im Werk konstruiert. Unter Zusatz von Kunstharz werden die Kerne hergestellt, man sagt, Sandkerne werden gebacken. Das Mittel selbst verbrennt beim Gießvorgang; zurück bleibt Sand, der für neue Formen zur Verfügung steht.

Dieselbe Abteilung konstruiert auf CAM-Basis die Armaturen und deren Komponenten. Der Datentransfer vom Konstruktionsschreibtisch zur Produktionsmaschine geschieht mittels EDV. Fräs-, Bohr-, Schleif- und andere Maschinen arbeiten dann weitestgehend unabhängig vom Personal. Andere Anlagen kommen dagegen nicht ohne menschliche Hilfe aus, beispielsweise die Gießmaschinen. Denn das Einlegen der bereits erwähnten Sandkerne und das Entnehmen des heißen Gießteils kann nur von Hand erfolgen. Nun ist das besondere an der Gießtechnik, daß das geschmolzene Messing nicht von oben in die Form gegossen wird, sondern unter einem leichten Druck von unten einströmt. Mögliche Lufteinschlüsse können so ungehindert nach oben steigen und entweichen. Bei der herkömmlichen Gießmethode könnten die Luftbläschen vom nachströmenden Material am Aufsteigen behindert werden und im Produkt verbleiben.

Diese beiden Sandkerne wurden in die Gießform eingelegt. Als nächstes senkt sich die andere Hälfte der Form um danach flüssiges Messing aufzunehmen.

Nach einer Abkühlungsphase kommen die Roharmaturen zur Schleiferei und in die Polierwerkstatt. Werkstatt bedeutet hier nicht die manuelle Beseitigung von Rückständen. Auch hier übernehmen Maschinen die Arbeiten. Sie greifen die Produkte von den Förderbändern und führen sie zu den Schleifplätzen. Dort bewegt der Roboter wie eine menschliche Hand das Werkstück über das Schleifband und reinigt so die äußere Hülle der Armatur.

Alle Armaturen-Komponenten aus entzinkungsfreiem Messing und alle anderen Metallteile stellt Mora selbst her, Kunststoffteile werden zugekauft. Metallteile, die nicht gegossen werden, müssen aus vielen, etwa 6 m langen Messingstangen unterschiedlicher Dicke hergestellt werden. Lediglich das Material muß von Hand in die entsprechende Maschine eingelegt werden; die eigentliche Fertigung geschieht wieder automatisch. Die beim Herstellungsprozeß anfallenden Späne gelangen in eine Spezialmaschine, die die Späne von Ölen und Fetten befreit. Anschließend gelangen die gereinigten Späne zum Lieferanten zurück, der sie als Rohstoff für die nächsten Stangen verbraucht. Recycling pur.

Aus den Voll-Messingstangen stellt die Maschine Kleinteile für Sanitärarmaturen her.

Der weitere Schritt beansprucht die längste Zeit im Fertigungsprozeß einer Armatur: Die Verchromung aller sichtbaren Teile. Allerdings ist die Aussage zum Zeitaufwand nur relativ zu beurteilen. Denn der Durchlauf dauert in dieser hochmodernen Anlage nur etwa 1,5 Stunden. Vollautomatisch gelangen die Hänger mit den Produkten in die 20 brodelnden Becken mit unterschiedlichsten Löse- und Beschichtungsmitteln. Zuerst reinigt die Anlage die zu verchromenden Teile, um sie anschließend zu vernickeln. Erst dann erhalten sie die eigentliche Chromschicht.

Ein Stockwerk tiefer erfolgt die Wiederaufbereitung des verschmutzten Galvanik-Wassers, und zwar mit einem solch hohen Wirkungsgrad, daß das verbleibende Restwasser ohne weiteres in die Kanalisation geleitet werden darf. Die Galvanikrückstände werden dagegen in Behältern gesammelt und von einem Spezialunternehmen entsorgt.

20 brodelnde Galvanikbecken machen aus dem Messing-Rohling eine verchromte Armatur.

In die Halle der Endmontage kommen alle Teile zusammen - die aus der eigenen Fertigung und die zugekauften. Hier wird die Armatur erst zur richtigen Sanitärarmatur. Jede einzelne Thermostatbatterie muß bekanntlich eingestellt sein. Wie so ziemlich alles bei Mora, übernimmt eine Maschine diese Aufgabe. Das Personal klemmt wasserseitig nur die Armatur an, den Einstellvorgang auf 38°C führt die computergesteuerte Anlage aus.

Das Lager der auslieferbereiten kartonierten Produkte besteht aus lediglich vier Reihen à 30 m mit vier Geschossen. Man könnte meinen, man befindet sich in einem Zwischenlager. Dabei gibt es bei Mora gar keine. Denn das Management hatte schon frühzeitig erkannt, daß ein Zwischenlager nur die Durchlaufzeit einer Armatur verlängert und so die Kosten erhöht. Das kleine Endlager dient eigentlich nur als Puffer, wenn die Armaturen nicht sofort auf LKWs verladen werden können oder sollen. Die Produktion geschieht quasi just in time.

Versandfertige Verpackung.

High-lights des Unternehmens

Als Mora Anfang der 70er Jahre den deutschen Markt zu beliefern begann, brachte der schwedische Hersteller eine Thermostatbatterie mit neuem Arbeitsprinzip mit. Zwar gab es zu dem Zeitpunkt auch in Deutschland Thermostatbatterien, jedoch waren die Armaturen recht wuchtig, da die Regeleinheit noch aus einem Bimetall bestand und viel Platz beanspruchte. Mora forschte weiter und erfand als Regler einen kleinen Dehnstoffkörper. Zunächst von der Konkurrenz belächelt, sah sie doch im Laufe der Zeit die Vorzüge. Inzwischen haben die meisten Armaturenhersteller dieses Funktionsprinzip übernommen und von der Bimetallregelung Abstand genommen.

Mora ging noch einen Schritt weiter, indem er in all seinen Thermostatbatterien - sei es die Brause- oder Badewannenarmatur, die Waschtisch- oder Bidetarmatur - den gleichen Dehnstoffkörper mit denselben Abmessungen verwendet. Diese Lösung vereinfacht und reduziert die Lagerhaltung. Denn im Falle einer notwendigen Reparatur benötigt der Sanitärfachmann für alle Modelle nur einen Dehnstoffkörper im Koffer.

Die Einstellung der Thermostatbatterien auf 38°C geschieht automatisch.

Der schwedische Armaturenhersteller hat das Energie- und Wassersparen auf seine Flagge geschrieben. Seit rund 20 Jahren ist das Unternehmen bestrebt, neue Techniken sinnvoll in ihren Armaturen einzusetzen. Jüngstes Beispiel ist das Mora Energie-Spar-System, kurz ESS genannt: Bei herkömmlichen Einhebelmischern wird beim Öffnen der Armatur in Mittelstellung gemischtes Wasser freigegeben. Erst beim Drehen des Hebels in Richtung "kalt" strömt ungemischtes Wasser. Dies ist anders bei allen Mora-Einhebelmischern. In Mittelstellung wird nur (ungemischtes) kaltes Wasser entnommen. Der Grund für die Einführung dieser Technik ist einleuchtend. Oftmals entnimmt der Nutzer nur eine geringe Menge Wasser und zwar beginnt er mit dem Öffnen unbewußt in Mittelstellung des Hebels. Dies bedeutet gemischtes Wasser. Da die entnommene geringe Wassermenge jedoch nicht ausreicht, in den Genuß warmen Wassers zu kommen, ist es auch nicht erforderlich, daß das teurere warme Wasser zwar gezählt, aber nicht verbraucht wird. Erst wenn der Nutzer bewußt den Hebel nach links schwenkt, erhält er warmes Wasser. Da nun der Nutzer weiß, daß sich Einhebelmischer nach links und nach rechts schwenken lassen, haben sich die Mora-Ingenieure entschlossen, dieses Prinzip beizubehalten, obwohl es eigentlich nicht notwendig wäre. Denn rechts von der Mittelstellung des Hebels strömt nur ungemischtes kaltes Wasser. Allerdings ist der drehbare Winkel auf 30° begrenzt.

Zusätzlich zum ESS gibt es bei Mora-Einhebelmischern weitere Möglichkeiten, Wasser und Energie zu sparen. Alle Spül- und Waschtisch-Mischer können auch mit eingebauter Turbo-Jet-Patrone geliefert werden. Sie spart bis zu 50% Wasser und Energie. Das Prinzip ist genauso einfach wie genial: Die Armatur läßt sich wie gewohnt stufenlos und leichtgängig öffnen bis 50% der Auslaufmenge erreicht sind. Dies ist zum normalen Waschen und Spülen auch ausreichend. Wird eine größere Wassermenge benötigt, muß der Hebel gegen einen leichten Federdruck festgehalten werden. Wird der Hebel losgelassen, fährt er in die 50%-Stellung zurück. Da auch bei diesem Wassersparsystem das Prinzip der Vereinheitlichung angewandt wurde, lassen sich alle Einhebelmischer ab etwa Baujahr 1988 mit der Turbo-Jet-Patrone leicht nachrüsten.

(v.l.) Joachim Nagel, Verkaufsleiter bei WSV GmbH (Hamburg), Mats Hermansson, Konzerndirektor bei Mora, Jørgen Pedersen, Exportleiter bei Mora.

Wie stark sich der schwedische Anbieter im deutschen Markt durchsetzen will, beweist die erwartete Umsatzsteigerung. Allgemein geht die Sanitärbranche von einem gleichbleibenden Umsatz aus. Mora hingegen hat sich zum Ziel gesetzt, seinen Umsatz 1996 um rund 15% zu erhöhen, nachdem sich für 1995 eine Absatzsteigerung von 30% abzeichnet.

Das Unternehmen Mora ist seit Ende 1993 als einer der ersten Sanitärhersteller nach der Qualitätsmanagement-Norm DIN ISO 9001 zertifiziert. Ein Beweis für die Leistungsfähigkeit. Hauptabnehmer der Armaturen sind in Deutschland mit etwas über 50% Wohnungsbaugesellschaften, Krankenhäuser, Flughafengesellschaften und andere Großabnehmer. Der private Wohnungsbau hält knapp 50%.


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