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Sonne und Sicherheit

Über die Brandsicherheit von Photovoltaikanlagen wird leidenschaftlich diskutiert. Dieser Beitrag beleuchtet die Problematik und die rechtlichen Aspekte und zeigt mögliche Lösungsvorschläge auf.

Die Brandbekämpfung bei Vorhandensein von PV-Anlagen gestaltet sich aufgrund der fehlenden Möglichkeiten zur Gleichstrom-Spannungsfreischaltung schwierig. Bild: Deutscher Feuerwehrverband

 

Seit unlängst einige Berichte über durch Photovoltaikanlagen (PVA) ausgelöste Personenschäden bei Löscharbeiten die Runde machten, herrscht Unsicherheit darüber, wie gebäudeintegrierte PVA beschaffen sein müssen, um insbesondere der Forderung nach wirksamen Löscharbeiten gerecht zu werden.

Aufbau von Photovoltaikanlagen
Grundlegende Bestandteile von PVA sind die PV-Module, in denen die Umwandlung der Sonnenenergie in elektrische Energie stattfindet. Mehrere PV-Module werden zum sogenannten PV-Generator zusammengeschaltet. Der im PV-Generator erzeugte Strom wird dann zur Netzeinspeisung mittels einer Leitung ins öffentliche Stromnetz übertragen. In diese Leitung sind – und zwar immer in genau dieser Reihenfolge – der sogenannte DC-Freischalter, mit dem im Brandfall die Gleichstromübertragung unterbrochen werden kann, der Wechselrichter, in dem der ankommende Gleichstrom in Wechselstrom umgewandelt wird, sowie eine Einrichtung zur Netzüberwachung (ENS) und Stromzähler integriert [1]. Die genannten Einrichtungen, inklusive des DC-Freischalters, sind häufig in einiger Entfernung zum PV-Generator in die Leitung integriert, meist im Untergeschoss.

Grundsätzliche Problematik
Vor Beginn der Löscharbeiten versuchen die Einsatzkräfte üblicherweise, das betreffende Gebäude spannungsfrei zu schalten. Ist jedoch eine PVA vorhanden, wird der Zustand der Spannungsfreiheit häufig nicht erreicht. Die Einsatzkräfte müssen in einem solchen Fall besondere Sicherheitsmaßnahmen (z. B. Einhalten von Sicherheitsabständen) ergreifen, wodurch die Löscharbeiten erschwert werden können.
Das Problem besteht darin, dass PVA nicht einfach abgeschaltet werden können, sondern Strom produzieren, solange Licht auf die Zellen fällt. Dabei kann schon bei geringem Lichteinfall eine für Menschen lebensgefährliche Spannung ≥ 120 V Gleichstrom erreicht werden. Zwar kann am DC-Freischalter der Strom entweder automatisch oder manuell gekappt werden, dies ändert aber nichts daran, dass die PVA sowie ihr Leitungsnetz auch im Brandfall mindestens bis dorthin weiterhin unter Spannung stehen [2]. So hat im Jahr 2009 eine Einsatzkraft bei einem Löscheinsatz in Bascharage (Luxemburg) einen Stromschlag erlitten, weil sie mit den aufgrund der Brandeinwirkung blank liegenden Adern der spannungsführenden PVA-Hauptleitung in Berührung kam [3].

Hinweisschild zur Kennzeichnung von Photovoltaikanlagen. Gut sichtbar angebracht, kann auf das Vorhandensein einer PVA aufmerksam gemacht werden. Bild: PhotovoltaikZentrum

Der Stromfluss kann nicht durch eine manuelle Trennung der Leitung, z. B. mittels einer Zange, unterbrochen werden, da hierbei lebensgefährliche Lichtbögen entstehen können. Ferner ist der Versuch misslungen, die Stromerzeugung durch das Auftragen von Schaum auf die PV-Module zu unterbrechen, da dieser bereits nach kurzer Zeit auf der glatten Modul­oberfläche heruntergerutscht ist [1]. Ohnehin kann das Bedecken der PVA im Rahmen eines Löscheinsatzes – sei es nun mit Schaum oder auch mit Planen und Brettern – ablauftechnisch als nicht praktikabel angesehen werden. Die Lösung des Problems muss folglich präventiv, also baulich bzw. anlagentechnisch erreicht werden.

Rechtsgrundlagen
Die Landesbauordnungen und auch die Mus­terbauordnung (MBO) enthalten mitunter Angaben zu notwendigen Abstandsflächen von PVA sowie zum Verfahrensrecht; relevante Vorschriften zur konkreten materiellen Beschaffenheit von PVA fehlen hingegen vollständig. Allerdings sind in den Bauordnungen einige allgemeine Regelungen getroffen, die brandschutztechnisch und für das Auffinden maßgeblicher Gesetze relevant sind. Der erste Anhaltspunkt ergibt sich aus §§ 2 und 3 MBO. Laut § 2 Abs. 9 Satz 1 MBO handelt es sich bei PVA um Bauprodukte, da sie Anlagen darstellen, „die hergestellt wurden, um dauerhaft in bauliche Anlagen eingebaut zu werden“.
Bauprodukte dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie von den in der Bauregelliste A des Deutschen Instituts für Bautechnik beschriebenen technischen Regeln „nicht oder nicht wesentlich abweichen“ (§ 17 Abs. 1 Satz 1 sowie § 17 Abs. 2 MBO). PVA werden in der Bauregelliste A jedoch nicht behandelt. Es handelt sich bei PVA also um sonstige Bauprodukte, die gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 MBO gleichermaßen wie die geregelten Bauprodukte verwendet werden dürfen, sofern sie „von den allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht abweichen“.
Wären allgemein anerkannte Regeln für PVA nicht vorhanden, so müssten sie
„1. eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung […],
2. ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis […] oder
3. eine Zustimmung im Einzelfall […] haben“ (§ 17 Abs. 3 MBO).
Es ist davon auszugehen, dass für PVA anerkannte Regeln der Technik vorhanden sind, zu denen – im Hinblick auf die behandelte Problematik – vor allem die DIN VDE 0100-712:2006-06 (…) Solar-Photovoltaik-(PV)-Stromversorgungssysteme“ gehört. Sie legt u.a. fest, dass auf der Gleichspannungsseite des Wechselrichters ein Lasttrennschalter (DC-Freischalter) installiert werden muss.

Lösungsvorschlag
Die DIN VDE 0100-712 stellt zumindest ansatzweise die Lösung des Problems dar, bei der der DC-Freischalter als Anlage zur Spannungsfreischaltung eine zentrale Rolle einnimmt. Nur ist leider nicht geregelt, an welcher Stelle dieser in die Leitung zwischen dem PV-Generator und dem Wechselrichter integriert werden muss. Wenn der DC-Freischalter im Keller vor dem Wechselrichter installiert wird, wird der in der Norm formulierten Anforderung entsprochen. Eine Schutzwirkung wird auf diese Weise allerdings nicht erreicht, da die durch das Gebäude bis zum DC-Freischalter verlaufende Leitung auch nach der Freischaltung weiterhin unter elektrischer Spannung steht. Um wirksame Löscharbeiten nicht zu behindern (§ 14 MBO) bietet es sich an, den DC-Freischalter, der im Brandfall automatisch und ferngesteuert (z.B. vom zentralen Verteilerkasten aus) auslösbar sein sollte, direkt hinter dem PV-Generator in die Leitung einzubauen, entweder in wetterfester Ausführung im Freien oder direkt unter der Gebäudehaut.
Abgesehen von der Einrichtung zur Spannungsabschaltung sollten ergänzend auch insbesondere folgende Aspekte beachtet werden:

  • Das Vorhandensein der PVA sowie Hinweise zur Spannungsabschaltung sollten für die Einsatzkräfte durch eine entsprechende Markierung an geeigneter Stelle (z.B. beim Verteilerkasten) kenntlich gemacht werden. Um den orts­unkundigen Einsatzkräften die Orientierung zu erleichtern, kann zusätzlich ein Plan ausgehängt werden, aus dem die Lage der PV-Module sowie eventuell der Leitungen hervorgeht.
  • Um einen erfolgreichen Löscheinsatz durchführen zu können, sollten auf dem (Flach-)Dach Freiflächen für die Feuerwehr eingeplant werden, also ausreichend dimensionierte Gänge zwischen den PV-Modulen. Darüber hinaus ist auf einen hinreichenden Abstand der PVA zu eventuell vorhanden Rettungsfenstern und RWAs zu achten.
  • Aus Sicht des baulichen Brandschutzes muss sichergestellt sein, dass einzelne PV-Module die definierten Brandabschnitte nicht überbrücken, um einen Feuerüberschlag zu vermeiden. Außerdem ist die Leitungsanlagenrichtlinie zu beachten. Leitungen dürfen Brandwände nicht überqueren (vgl. § 30 Abs. 7 MBO) sondern müssen diese unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Abschottung durchqueren.
  • PV-Module müssen so am Gebäude befestigt werden, dass sie sich auch unter Brandeinwirkung nicht aus der Halterung lösen können.


Versicherungstechnische Aspekte
Üblicherweise ist gemäß den Informationen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) die Installation von PVA weder mit einem Risikoaufschlag bei der Gebäudeversicherung noch mit einer Auflage bezüglich der Position des DC-Freischalters verbunden. Der GDV empfiehlt jedoch, PVA nur von einem Fachbetrieb installieren und die einzelnen Schritte umfassend dokumentieren zu lassen.

Schematischer Überblick über den allgemeinen Aufbau von Photovoltaikanlagen. Bild: Christian Lesem

In Wohngebäudeversicherungen sind PVA häufig bis zu einer vertraglich geregelten Maximaldimensionierung mitversichert. Dennoch muss dem Versicherer die Installation von PVA angezeigt werden, da es sich dabei laut Angaben der Bayerischen Versicherungskammer um wertsteigernde bauliche Maßnahmen handelt und im Versicherungsfall ansonsten die Gefahr der Anrechnung einer Unterversicherung bestünde. Die wertmäßige Berücksichtigung der Anlage in der Versicherungssumme wirkt sich der Bayerischen Versicherungskammer zufolge auf den Gesamtbeitrag aus.
Bei der Haftpflichtversicherung ist insbesondere darauf zu achten, dass das erhöhte Verkehrssicherungsrisiko sowie die Betreiberhaftung hinreichend mitversichert sind. Die Einspeisung von Strom ins öffentliche Stromnetz stellt eine unternehmerische Tätigkeit dar, die dazu führen kann, dass die PVA nicht mehr automatisch über die „Privat- oder Haus- und Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung“ versichert ist [4].

Schlussbemerkung
Allen Unkenrufen zum Trotz ist es mit den heute vorhanden technischen Mitteln durchaus möglich, PVA zu errichten, die die Löscharbeiten nicht behindern oder unwirksam machen. Es ist also zu hoffen, dass in der Debatte um die Sicherheit von PVA rasch eine Versachlichung eintreten wird. Dazu könnte u. a. eine zurzeit in Bearbeitung befindliche Anwendungsregel des VDE beitragen, die voraussichtlich die Spannungsabschaltung von PVA detailliert regeln wird. Zudem arbeitet der GDV an einem Merkblatt, das Empfehlungen zur Risikoreduzierung bei PVA enthalten wird. Dies ist ein gutes Zeichen.

Literatur:
[1] Finis, Schmid, Koch: Hinweise zu Einsätzen an Gebäuden mit Photovoltaikanlagen, Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg, Bruchsal 2010
[2] vgl. Feuerwehrschule der Berufsfeuerwehr München (Hg.): Photovoltaik – Gefahr im Feuerwehreinsatz, München 2005
[3] Feuerwehrmann erleidet Stromschlag an Solaranlage,  www.atemschutzunfaelle.de/unfaelle/lu/2009/u20091118-bascharage.html, Stand 7. September 2010
[4] Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (Hg.): Mit Sicherheit Sonne – Solarstromanlagen richtig versichern. Berlin, www.klipp-und-klar.de/dateien/dokumente/aktuelles/Solarstromanlagen_richtig_versichern.pdf

Autor: Christian Lesem, Mitarbeiter im Ingenieur- und Sachverständigenbüro für Brandschutz und Arbeitssicherheit Uli Lesem in Hamburg

 


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