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Quo vadis EU-EED?

Herausforderungen und Chancen für Unternehmen

Unter Artikel 8 der EU-EED sind große Unternehmen verpflichtet, ab 2015 mindestens alle vier Jahre von akkreditierten Experten ein regelmäßiges Energieaudit durchführen zu lassen.

 

Seit Einführung der europäischen Energieeffizienzrichtlinie stehen große Unternehmen in der EU vor der Herausforderung, die Vorschriften der unterschiedlichen nationalen Umsetzungen zu erfüllen. Dieser Artikel umreißt die wichtigsten Anforderungen der Richtlinie und beschreibt die Erfahrungen bei der Arbeit mit Kunden, die bestrebt sind, den kostengünstigsten Weg zu ihrer Einhaltung zu finden.
Die europäische Energieeffizienzricht­linie (2012/27/EU, EU-EED), die seit dem 4. Dezember 2012 in Kraft ist, bildet einen gemeinsamen Rahmen für Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz in der Europäischen Union. Diese Richtlinie soll sicherstellen, dass das Energieeffizienzziel der EU (Steigerung um 20 % gegenüber Prognosen) bis zum Jahr 2020 erreicht und der Grundstein für weitere Verbesserungen über dieses Datum hinaus gelegt wird. In der Richtlinie sind zahlreiche Maßnahmen und rechtliche Verpflichtungen für Regierungen, Energieversorger und Unternehmen aufgeführt. In den letzten zwei Jahren wurden die Bestimmungen der EU-EED in den EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt.
Unter Artikel 8 der EU-EED sind große Unternehmen – definiert als Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von mehr als 50 Mio. Euro und einer Jahresbilanzsumme von mehr als 43 Mio. Euro – verpflichtet, ab 2015 mindestens alle vier Jahre von akkreditierten Experten ein regelmäßiges Energieaudit durchführen zu lassen. Unternehmen sind von dieser Pflicht befreit, wenn sie ein Energiemanagementsys­tem (EMS) nach der ISO 50001 (oder einer gleichwertigen Norm) eingerichtet haben.
Seit Einführung der EU-EED beraten beispielsweise Siemens-Experten zahlreiche Kunden hinsichtlich des kostengünstigsten Wegs zur Einhaltung der EU-EED und der damit verbundenen Vorschriften. Siemens unterstützt Kunden bei der Entwicklung von Energieeffizienz- und Nachhaltigkeitsprogrammen, der Implementierung unternehmensweiter Überwachungs- und Berichterstattungsplattformen und der Durchführung und Finanzierung von Energieeffizienzprojekten. Nachfolgend eine Zusammenfassung der Erkenntnisse, die Siemens-Berater bei der Arbeit mit Kunden in den vergangenen drei Jahren gewonnen haben.

Unterschiede bei der Implementierung

Mehr als drei Jahre nach Inkrafttreten der EU-EED haben noch immer nicht alle Mitgliedsstaaten die Richtlinie in vollem Umfang umgesetzt. Darüber hinaus gibt es beträchtliche Unterschiede bei der regulatorischen Übernahme. Diese Unterschiede wirken sich stark auf die Anzahl der betroffenen Unternehmen in den einzelnen Ländern aus. In Deutschland, wo die Umsatz- und Mitarbeiterzahlen auf das Gesamtunternehmen bezogen werden und wo die kleinste rechtlich selbstständige Einheit eines großen Unternehmens der Meldepflicht unterliegt, sind schätzungsweise zwischen 50 000 und 120 000 Unternehmen von dieser Regelung betroffen (genaue Zahlen gibt es noch immer nicht), während in Frankreich, wo sich die Schwellenwerte auf den SIREN-Code des jeweiligen Unternehmens beziehen, nur ca. 6000 Firmen betroffen sind – und in Österreich nur ca. 2000.
Bei der Entwicklung von Compliance-Strategien für multinationale Kunden wurde deutlich, dass in vielen Unternehmen die Anforderungen der EU-EED unterschiedlich interpretiert werden, und dass die internen Strukturen großer Unternehmen die Einhaltung ihrer Bestimmungen nicht gerade fördern. Am häufigsten wurden Defizite in den Bereichen Organisation und Datenverfügbarkeit beobachtet:

  • Organisation: Die meisten multinationalen Unternehmen sind in Funktionen und Geschäftsbereiche unterteilt, und es gibt getrennte Verantwortlichkeiten für den Produktionsbereich und Facility Management. In vielen Fällen gibt es keine übergreifende Verantwortung auf Landesebene und für grenzüberschreitende Programme; in solchen Unternehmen ist es schwer, einen landesweiten Ansatz zu entwickeln, der mehrere Standorte einschließt.
  • Datenverfügbarkeit: Außerordentlich schwierig erwies sich die Sammlung von Informationen in Bezug auf den rechtlichen Status und die Eigentumsverhältnisse multinationaler Unternehmen mit zahlreichen Standorten in ganz Europa, Mitarbeiterzahl und finanzielle Daten, verbundene und Partnerunternehmen sowie Energieverbrauchs- und Flottendaten. In den meisten Fällen waren diese Informationen nicht zentral gespeichert, sondern mussten aus unterschiedlichen Quellen eingeholt werden.

Aus diesem Grund wählten viele Unternehmen einen sehr unstrukturierten Ansatz. Synergien, wie z. B. die Anwendung des Multi-Site-Verfahrens, blieben ungenutzt, was zu unnötigem Zusatzaufwand – und Mehrkosten – führte.

Beobachtungen beim Energieaudit
Während des Auditprozesses wurde oft mangelnde Datentransparenz festgestellt: je niedriger die Energieintensität einer Firma, desto schlechter die Datentransparenz. Besonders in gemieteten oder gepachteten Gebäuden – und noch häufiger in Full-Service-Büros – war es oft äußerst schwierig, die erforderlichen Mindestinformationen zu sammeln bzw. darauf zuzugreifen, da es in vielen Fällen keine Zählerdaten gab oder Vermieter keine Energie- oder Nutzungsdaten zur Verfügung stellten.
Bei den Hunderten von Audits, die von Siemens-Auditoren durchgeführt wurden, lagen die potenziellen Energiekosteneinsparungen – mit Amortisationszeiten der Effizienzinvestitionen von maximal fünf Jahren – im Durchschnitt zwischen 10 und 30 %. Möglichkeiten zur Effizienzverbesserung wurden in nahezu allen Produktions-, Infrastruktur- und Anlagenbereichen gefunden, darunter Heizung/Heizkessel, Kühlung/Kältemaschinen, Lüftung, Blockheizkraftwerke (BHKW), Druckluft, Antriebe und Beleuchtung.
Die Auditoren vermerkten ein starkes Interesse an der Umsetzung der identifizierten Maßnahmen. Verhindert wird diese jedoch oft durch konkurrierende interne Investitionen, gekoppelt mit den Energiepreisschwankungen der letzten Jahre. Das Problem mit konkurrierenden Investitionen lässt sich durch Finanzierung überwinden, besonders durch von Siemens gebotene außerbilanzielle Lösungen für bestimmte Projekte.

Reaktion der Stakeholder

Wie schätzen andere Stakeholder die EU-EED ein, und welche Wünsche haben sie?  Die Europäische Kommission leitete im November 2015 eine öffentliche Konsultation ein. Artikel 8 wurde zwar während der Konsultation nicht formell diskutiert, aber der allgemeinen Aussage nach ist es zweifelhaft, ob sich das Effizienzziel von 20 % erreicht lässt, wenn die EU am derzeitigen Weg festhält. Folglich würde die Europäische Kommission gezwungen, die Einleitung weiterer Schritte zu diskutieren. Eine Möglichkeit wäre die potenzielle Umsetzungsverpflichtung für Maßnahmen, die unter festgelegten Bewertungskriterien für wirtschaftlich befunden werden.
Betroffene Unternehmen fordern einen pragmatischeren Ansatz, besonders im Hinblick auf die Kriterien für die gesetzliche Verpflichtung, beispielsweise die Aufnahme der Energieintensität als Kriterium oder die Einführung einer pragmatischen De-minimis-Regel, um kleinere Standorte von der Verpflichtung auszuschließen. Des Weiteren könnten einfache Alternativen zu EMS, wie sie bereits in Deutschland und Dänemark Anwendung finden, eine realistische Option für weniger energieintensive Unternehmen sein. Darüber hinaus fordern Unternehmen einen einheitlichen Ansatz in der gesamten EU – sei es in Bezug auf Anwendbarkeit, Auditprozess, Managementsysteme oder Akkreditierung von Auditoren.
Zu den von Nichtregierungsorganisationen und Forschungsinstituten am häufigsten vorgebrachten Anfragen gehört Folgendes:

  • Umsetzungsverpflichtungen (Schwelle, Energieintensität),
  • obligatorische Meldung der Energiedaten, -maßnahmen und -einsparungen von Unternehmen,
  • Harmonisierung von Systemen und Strafen,
  • Instrumente zur Überwindung von Interessenkonflikten zwischen Vermietern und Mietern (gemeinsame Anreize).

Schlussfolgerungen und Ausblick
Es dürfte nicht überraschen, dass Compliance der Hauptgrund ist, aus dem Unternehmen im Rahmen der EED Maßnahmen ergriffen haben. Unternehmen sind verpflichtet, die geltenden Bestimmungen zu erfüllen, und wählen in der Regel die Option, die am wenigsten Aufwand erfordert. In bestimmten Fällen wurde aber klar, dass Energiemanager bzw. für den Bereich Energie zuständige Operations oder Facility Manager diese günstige Situation nutzten, um Auditprogramme durchzusetzen und das Thema Energiemanagement erneut auf die Tagesordnung im Unternehmen zu rücken.
In dieser Hinsicht hat sich durch die EED ein nachhaltiger Einfluss auf die Geschäftswelt ergeben: Seit Umsetzung der EU-EED haben Siemens-Experten ein stärkeres Bewusstsein für Energieeffizienz festgestellt, das über die reine Compliance hinausgeht. Energieeffizienz findet jetzt auch auf Vorstandsebene Beachtung, und Siemens rechnet mit einer stärkeren Marktnachfrage („Market Pull“) nach Energieeffizienz in den kommenden Monaten und Jahren.
Das Potenzial für Energiesparmaßnahmen ist enorm. An den meisten Standorten, an denen ein Audit durchgeführt wurde, ließ sich ein konkretes Potenzial feststellen. Niedrige Energiekosten – auch wenn sie schwanken – und konkurrierende CAPEX-Prioritäten sind weiterhin eine große Hürde. Aus diesem Grund sind Finanzierungsmechanismen für Energieeffizienzprojekte in vielen Fällen ausschlaggebend.
Die äußerst niedrige Transparenz von Energiedaten und die niedrige Datenqualität im Allgemeinen müssen verbessert werden. Die Lösung sind verstärkte Energiedatenerfassung und -management sowie die Implementierung eines Energiemanagementsystems nach ISO 50001 o. Ä.
Welche regulatorischen Entwicklungen und Änderungen sind für die kommenden Jahre zu erwarten? Im Allgemeinen geht Siemens davon aus, dass die Verpflichtungen im Rahmen der EED weiterhin bestehen bleiben. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass die Europäische Kommission Änderungen an den Bestimmungen vornehmen wird, darunter eine konkretere und einheitliche Festlegung der Kriterien für „große Unternehmen“ und die Anwendbarkeit von Landesgrenzen. Darüber hinaus wird die Europäische Kommission die Auswirkungen weiterhin genau überwachen. Und es ist nicht auszuschließen, dass sie verschärfte Verpflichtungen einführen wird, z. B. die obligatorische Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen, wenn die EU – wie sich dies derzeit abzeichnet – ihre Ziele nicht erreicht.
Autor: Dr. Martin Kruska, Sustainability & Energy Management, Siemens Building Technologies
Bild: Siemens AG
www.siemens.com


Energieeffizienz-Richtlinie (EED)
Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 20 % ihres Primärenergieverbrauchs einzusparen und hat diese Maßnahme zu einem der fünf vorrangigen Schwerpunkte der Strategie Europa 2020 für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum gemacht.
In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission am 22. Juni 2011 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Energieeffizienz und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG vorgelegt. Nach einjähriger Verhandlung wurde vom Europäischen Rat am 4. Oktober 2012 die gegenständliche Richtlinie formell angenommen und am 14. November 2012 im Amtsblatt der Europäischen
Union veröffentlicht. Mit 4. Dezember 2012 ist diese Richtlinie in Kraft getreten.
Mit dieser Richtlinie 2012/27/EU werden nunmehr bestimmte Aspekte des Energieeffizienzplans der EK in verbindliche Maßnahmen überführt. Hauptzweck ist es, einen erheblichen Beitrag zur Erreichung des EU-Energieeffizienzziels (20 % Primärenergieeinsparung EU-weit bis 2020) zu leisten.
Die Mitgliedstaaten sind aufgrund verschiedener Artikel der EED verpflichtet, den darin festgeschriebenen Berichtspflichten nachzukommen.

 


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