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Neue Lebenswelten für Pflegebedürftige - Ein Nürnberger Pfegeheim hat sich für eine ganzheitliche barrierefreie Zukunft aufgestellt

In Nürnberg baut das Senioren- und Pflegezentrum St. Elisabeth das gesamte Haus barrierefrei nach der neuen DIN 18040-2 um. Dabei entstehen völlig neue Erlebensräume für die Bewohner. Eine Herkulesarbeit, bei der buchstäblich kein Stein auf dem anderen bleibt.

Schon von außen attraktiv: Senioren- und Pflegezentrum St. Elisabeth in Nürnberg (Bild: Ulrich Beuttenmüller/Gira).

Visuelle Barrierefreiheit im Eingangsbereich: Kräftiger Kontrast zwischen Boden und Wand. Eine tiefe Lichtleiste sorgt für eine klare Unterscheidung zwischen Wand und Tür, auffällige Bilder und Wandelemente bieten Orientierung (Bild: Ulrich Beuttenmüller/Gira).

Durch die dunkle Umrandung sind die Lichtschalter auch mit Seheinschränkung gut zu unterscheiden. Darunter das Strukturvlies – die Querstreifen dienen als haptische Wegweiser (Bild: Ulrich Beuttenmüller/Gira).

 

Der Unterschied ist schon von außen klar zu sehen: Im Eingangsbereich des Senioren- und Pflegezentrums St. Elisabeth, im südöstlichen Teil Nürnbergs gelegen, beherrschen statt der üblichen, unauffälligen Ton-in-Ton-Farbgebung kräftige Kontraste das Ambiente. Die weiße Wand hebt sich deutlich von den dunklen Keramikfliesen ab, Lichtleisten in Bodennähe separieren Wände von Türen. Das klar gestaltete Entree ist der erste Schritt einer umfassenden Sanierung des 1987 erbauten Heims, bei der zum ersten Mal in einer solchen Einrichtung „Barrierefreiheit“ konsequent nach der neuen Norm DIN 18040-2 umgesetzt wird.
Das Projekt wird auf der interdisziplinären Kongressmesse „Zukunft Lebensräume“ am 20. und 21. April vorgestellt.
Der Umbau erfolgt in zehn Abschnitten. Im Februar 2014 fiel der Startschuss, fertiggestellt wird das Haus im Jahr 2017 – Gesamtkosten fünf Mio. Euro. Mike-Carsten Richter, der zuständige Entwurfsplaner, urteilt: „Das Haus bei laufendem Betrieb komplett barrierefrei umzubauen, ist eine logistische Herausforderung.“
„Unsere individuelle, funktionale, ideelle und externale Umwelt ist idealerweise aufeinander abgestimmt, damit wir mit unseren akuten oder chronischen Beeinträchtigungen weiter selbstbestimmt leben können“, überschreibt die Psychogerontologin und Konzeptentwicklerin der ALWO Unternehmensgruppe, Sabine L. Distler, die Aufgabenstellung. „Anders ausgedrückt: Wir wollen mithilfe einer ‚trockenen‘ DIN Norm unter gerontologischen Aspekten wohnliche Räume entstehen lassen.“

Barrierefreie Bäder brauchen mehr Platz

In enger Kooperation zwischen Geschäftsführung, Gerontologen, Architekten, Handwerkern, Herstellern, Medizinern, Therapeuten, Pflegenden und Angehörigen entstand ein Konzept, das im ganzen Haus neue Lebensräume schafft. Die schwierigste Einheit war dabei das Badezimmer. „Eine Krux bei der DIN 18040-2 ist, dass sie die vorgeschriebene Bewegungsfläche deutlich erhöht hat“, erläutert Architekt Richter. Statt eines Kreises von 1,20 m im Durchmesser schreibt die neue Norm ein Viereck von 1,50 mal 1,50 m vor. Diese Fläche muss vor jedem Sanitärobjekt frei sein, damit ein Rollstuhl vernünftig manövrieren kann.
„Eine genaue Prüfung ergab, dass keiner der Sanitärräume im Bestand der neuen Norm genügt“, stellt der Bauingenieur fest, „also haben wir acht verschiedene Bädertypen entwickelt, die jetzt im ganzen Haus eingebaut werden.“ Distler ergänzt: „Früher maßen die Bäder etwa 4 m², heute brauchen wir fast 2 m² mehr. Zum Glück waren die Zimmer in St. Elisabeth groß genug, sodass wir nach der Erweiterung der Nasszelle immer noch genügend Wohnfläche haben.“
Überhaupt lässt sich an den Bädern gut ablesen, was ein umfassender barrierefreier Umbau bedeutet. Die Waschbecken etwa sind unterfahrbar, haben einen durchgehenden Verbrühschutz und Haltegriffe, an denen ein körperlich Eingeschränkter sich hochziehen kann. Die Toiletten sind etwas länger als üblich und an beiden Seiten mit Schwenkstützgriffen versehen. Seitlich ließen die Planer 90 cm Platz, damit ein Rollstuhl daneben einparken kann. Für Rollstuhlfahrer leichter zu öffnen: Die Tür knickt bei einem Drittel der Fläche ab.
Jedes Detail ist wichtig. „Früher hat man behindertengerechte Spiegel installiert, die sich nach unten kippen lassen“, erläutert Distler. Das führe aber zu einer psychologisch schwierigen Lage, weil der Mensch mit Behinderung sich immer nur von unten sieht und so ein falsches Selbstbild bekommen kann. Deshalb werden in St. Elisabeth Spiegel verbaut, die sich bis an die Oberkante des Waschbeckens ziehen. Für Sehbehinderte wurden Schalter, Handtuchhalter und Spülwassertaste farblich deutlich abgesetzt. „Eine eigenständige Nutzung von Sanitärräumen ist sehr wichtig für das positive Erleben der Umwelt“, so Distlers Erfahrung.

Bio-Licht bildet den Tagesverlauf nach

In den Zimmern fällt vor allem die Farbgebung auf. „An den Wänden haben wir Vliese mit einem Muster aus Quarzsand angebracht“, begeistert sich Distler. Diese Strukturtapeten sind im Sichtfeld des Bewohners mit einem goldenen Anstrich versehen, der „die Zimmer sehr wohnlich“ macht. Distler: „Das ist wirklich ein Novum in einem Heim: goldene Wände.“
Ein Teil der eingesetzten Vliese dienen im Haus auch als haptische Hilfe für die Bewohner, sich mithilfe des Tastsinns zurechtzufinden. „Eine horizontale Struktur in den Tapeten zeigt den Weg zu Toilette oder zum Ausgang, eine vertikale symbolisiert den Aufzug“, erläutert die Psychogerontologin. Zur „visuellen Barrierefreiheit“ trägt auch die kontrastreiche Gestaltung wie etwa im Eingangsbereich bei.
Beinahe therapeutisch wirkt das „Visual Timing Light“, ein biodynamisches Beleuchtungssystem, das im ganzen Haus den natürlichen Tageslichtverlauf künstlich nachzeichnet. „Es ist doch intelligent, für Menschen, die sich immer im Haus aufhalten, eine Beleuchtung zu installieren, die das Tageslicht simuliert“, erläutert Distler. Gerade bei Demenz triggert das System die Aktivitäts- oder Ruhephasen über den Tag besser an.
Tanja Ehret, Gründerin und Inhaberin von Care Trialog in Hamburg, sieht in dem Nürnberger Umbau ein „Leuchtturmprojekt, das hoffentlich viele Nachahmer“ findet: „Obwohl das Heim schon fast 30 Jahre alt ist, trifft es den heutigen Bedarf mit unterschiedlichen Wohn- und Versorgungsstrukturen im Quartier. Der jetztige Umbau trägt dazu bei, das Haus auch für die nächsten Jahrzehnte zukunftssicher zu gestalten.“

Autorin: Heike D. Schmitt ist Inhaberin der hd...s agentur für presse- und öffentlichkeitsarbeit in 65185 Wiesbaden, Tel. 0611 9929111, h.d.schmitt@hds-pr.com


IDIN 18040-2
Die Norm definiert neue Standards für Pflegeheime und gilt augenblicklich nur in Bayern. Ziel des Regelwerks ist die Barrierefreiheit baulicher Anlagen, damit sie für „Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“ Berücksichtigt werden dabei nicht nur die Bedürfnisse von Menschen mit motorischen Einschränkungen, sondern auch von Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung, Großwüchsige oder Kleinwüchsige und natürlich Menschen mit kognitiven Einschränkungen sowie Alte und Eltern mit Kindern.


 


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