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Digitale Geschäftsmodelle schlummern in jedem Betrieb

Für Dr. Jörg Dittrich bedeutet die Digitalisierung des Handwerks keine Gefahr. Sie sollte als Chance gesehen werden, die Zukunft aktiv zu gestalten

„Das Handwerk hat jeden Wandel zur Entwicklung genutzt.“ Dr. Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden. Bild: Handwerkskammer Dresden, André Wirsig

 

Getrieben durch die Digitalisierung und die damit einhergehende Vernetzung von Produkten sieht sich so mancher Handwerksbetrieb vor Aufgaben, die er scheinbar nicht lösen kann. Der Präsident der Handwerkskammer Dresden und Inhaber eines Dachdeckerbetriebes zeigt sich zwar gelassen. Dr. Jörg Dittrich kennt aber auch die Ängste und Befürchtungen seiner Kollegen.

IKZ-digital: Wenn von Digitalisierung die Rede ist, entwickelt so mancher Betriebsinhaber von Handwerksbetrieben Ängste. Sie sehen sich von den technischen Möglichkeiten überrollt. Wie groß ist die Herausforderung für Handwerksbetriebe tatsächlich?
Dr. Jörg Dittrich: Nicht kleiner, aber auch nicht größer als für andere auch. Das Handwerk hat jeden Wandel zur Entwicklung genutzt. Jesus war bekanntlich Zimmermann und wir haben im Handwerk in den vergangenen 2000 Jahren zahlreiche Innovationsschübe – sei es der Buchdruck oder die Dampfmaschine – nicht nur bewältigt, sondern aktiv gestaltet. Warum also diesmal nicht?
Wir empfehlen den Betrieben, sich mit dem Thema Digitalisierung zu beschäftigen. Damit lassen wir sie aber nicht allein, sondern unterstützen als Handwerkskammer: mit entsprechenden Beratungsangeboten durch unsere Beauftragten für Innovation und Technologie und seit März 2016 auch mit dem Kompetenzzentrum Digitales Handwerk, kurz KDH.

IKZ-digital: Was ist das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk?
Dr. Jörg Dittrich: Ziel des KDH ist es, Handwerksbetriebe bei der Digitalisierung zu begleiten und sie bei der praktischen Umsetzung digitaler Produktions- und Arbeitsprozesse zu unterstützen. Es gibt dabei vier Schaufensterpartner deutschlandweit, die die komplette Republik abdecken. Als Schaufenster Ost ist die Handwerkskammer Dresden Ansprechpartner für die Handwerksbetriebe in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg. Die weiteren Schaufenster sind die Handwerkskammer Oberfranken für den Süden, die Handwerkskammer Koblenz für den Westen und das Bundestechnologiezentrum für Elektro- und Informationstechnik für den Norden.

IKZ-digital: Der Name Kompetenzzentrum Digitales Handwerk weckt Assoziationen, Lösungen für die Probleme des Betriebes zu finden. Was also bringt das KDH für die Betriebe konkret?
Dr. Jörg Dittrich: Neben der Unterstützung zu Ideen der Betriebe – vom Online-Shop bis zur digitalen Arbeitszeit­erfassung – sowie zu Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten bieten wir unseren Betrieben zahlreiche kostenfreie Infoveranstaltungen, u. a. in Innungen, Workshops und Webinare zu den verschiedenen Themenfeldern der Digitalisierung. Wir entwickeln für die Betriebe Leitfäden, beispielsweise zu Smart Home, und haben einen Fragebogen erstellt, mit dem geschulte Berater aus den Handwerksorganisationen gemeinsam mit dem Betrieb herausfinden, welche digitalen Potenziale in ihrem Geschäftsmodell liegen. 

IKZ-digital: Blicken wir auf die Empfindungen aller Handwerksbetriebe: Durch die Digitalisierung sieht ein Viertel die Existenz des eigenen Betriebes gefährdet. Ist die Befürchtung berechtigt oder eher unbegründet?
Dr. Jörg Dittrich: Wie bei anderen technologischen Entwicklungen wird es auch hier zur Substituierung von Produkten und Geschäftsmodellen kommen. Viel interessanter ist jedoch die Betrachtung der neuen Möglichkeiten in Produktionsmethoden, Geschäftsprozessen oder Vertrieb. Die Digitalisierung bietet dem Handwerk die Chance, noch stärker auf seine Kernkompetenz, die Individualität zu setzen. Beispielsweise durch die Straffung von Prozessen in der Organisation und Verwaltung, sodass für das eigentliche Handwerk und die Kundenberatung wieder mehr Zeit bleibt.

IKZ-digital: Geht es nicht auch ohne Digitalisierung? Oder anders gefragt: Warum ist die Digitalisierung im Handwerk so wichtig?
Dr. Jörg Dittrich: Das Kaufverhalten der Kunden hat sich gravierend gewandelt durch das Internet, die Ansprüche sind weiter gestiegen. Schon heute greift der Kunde online in die Herstellung und Gestaltung von Produkten ein, kauft im Online-Shop oder lässt sich über das Internet beraten. Dieser Realität müssen wir uns stellen und das Internet als Plattform für das Marketing und den Vertrieb nutzen. Gerade für Unternehmen im ländlichen Raum, die in der analogen Welt etwas abgelegen sind, bietet die digitale Welt die notwendigen Anbindungsmöglichkeiten und somit große Chancen.
Wenn wir von der Digitalisierung sprechen, reden wir aber auch von digitalen Prozessen in der Produktion und von unterstützenden Technologien wie Drohnen, 3-D-Lasertechnik oder 3-D-Druckern, oder aber von der Optimierung von betrieblichen Prozessen in Buchhaltung und Verwaltung. Für einige Gewerke lassen sich dank der Digitalisierung komplett neue Geschäftsfelder erschließen.

IKZ-digital: Neue Geschäftsfelder erschließen hört sich leichter gesagt als getan an. Gerade vor dem Hintergrund, dass ein Betrieb gar nicht weiß, wo er anfangen soll. Wie also kommt ein Handwerksbetrieb an das Know-how, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln?
Dr. Jörg Dittrich: Neben der allgemeinen Beratungsleistung hat jedes KDH-Schaufenster auch einen eigenen Schwerpunkt. Unserer lautet digitale Geschäftsmodelle. Hier konnten wir feststellen, dass viele Betriebe sich nicht oder nur selten mit ihrem Geschäftsmodell auseinandersetzen. Im ersten Schritt geht es also erst einmal gar nicht um das Know-how, sondern um einen Prozess des Nachdenkens: Wie entwickele ich meinen Betrieb mit Blick auf die Digitalisierung weiter? Dabei wollen wir unterstützen, denn unsere Erfahrung zeigt: Selbst im kleinsten Betrieb schlummern gute Ideen für neue digitale Geschäftsmodelle.

IKZ-digital:
Wenn wir an dieser Stelle einen Blick in die Zukunft wagen: Wie wird sich der SHK-Beruf durch die Digitalisierung entwickeln?
Dr. Jörg Dittrich: Als Dachdeckermeister sehe ich das natürlich in erster Linie aus Kundensicht: Der Begriff Smart Home – auch in Kombination mit der Energiewende – wird eine immer größere Rolle spielen. Von digital gesteuerten Heizungsanlagen bis hin zu altersgerechten Assistenzsystemen. Gerade im privaten Wohnungsbau erleben wir nach wie vor einen Boom, das macht sich auch bei der Nachfrage in diesem Bereich bemerkbar.
Zudem verzahnen sich die Gewerke immer mehr miteinander – auch das erfordert entsprechende Qualifikationen. Denken Sie beispielsweise an das Thema Building Information Modeling (BIM), also die digitale Erfassung, Kombination und letztendlich Modellierung aller Gebäudedaten. Das wird trotz Anlaufschwierigkeiten künftig eine wachsende Rolle spielen. Dem Handwerker wird also auch ein immer stärkeres fachliches Know-how bei digitalen Anwendungen und Kommunikationswegen abverlangt. Der klassische Vertriebsweg wird immer stärker durch Online-Kanäle ergänzt.
Mit Blick auf diese gravierenden Veränderungen ist es wichtig, dass auch das Berufsbild sich der Zeit anpasst. Aktuell braucht es sieben bis acht Jahre, um ein Berufsbild zu überarbeiten. Das ist mit Blick auf die Geschwindigkeit des technischen Fortschrittes einfach zu langsam. Hier gilt es definitiv schneller zu werden.

IKZ-digital: Und welche Auswirkungen hat das alles auf den Innendienst und welche für die Monteure?
Dr. Jörg Dittrich: Schon wenn ich sehe, welche Veränderungen in meinem eigenen Betrieb stattgefunden haben und das mit der deutlich technologieintensiveren SHK-Branche vergleiche, zeigt sich die Fülle an Optionen. Dabei muss jeder Betrieb für sich schauen, was für ihn – auch mit Blick auf Mitarbeiterzahl und Kundenpool – sinnvoll ist. So ermöglichen entsprechende digitale Tools dem Innendienst, jederzeit zu wissen, welcher Monteur wo ist oder welchen Bearbeitungsstand die einzelnen Aufträge haben.
Für die Monteure wiederum nehmen Themen wie Smart Home oder das Internet der Dinge eine größere Rolle ein. Es gibt die Möglichkeit der Fernwartung via Smartphone und App.
Generell lässt sich sagen, dass durch die Digitalisierung viele Prozesse eine größere Dynamik haben. Und deshalb gilt: Egal ob Innendienst oder Monteur – die genannten Themenfelder erfordern neue Kompetenzen von den Mitarbeitern. Dabei ist es wichtig, sein Personal entsprechend zu schulen und weiterbilden zu lassen.
Als Dachdeckermeister sehe ich das natürlich in erster Linie aus Kundensicht: Der Begriff Smart Home – auch in Kombination mit der Energiewende – wird eine immer größere Rolle spielen. Von digital gesteuerten Heizungsanlagen bis hin zu altersgerechten Assistenzsystemen. Gerade im privaten Wohnungsbau erleben wir nach wie vor einen Boom, das macht sich auch bei der Nachfrage in diesem Bereich bemerkbar.
Zudem verzahnen sich die Gewerke immer mehr miteinander – auch das erfordert entsprechende Qualifikationen. Denken Sie beispielsweise an das Thema Building Information Modeling (BIM), also die digitale Erfassung, Kombination und letztendlich Modellierung aller Gebäudedaten. Das wird trotz Anlaufschwierigkeiten künftig eine wachsende Rolle spielen. Dem Handwerker wird also auch ein immer stärkeres fachliches Know-how bei digitalen Anwendungen und Kommunikationswegen abverlangt. Der klassische Vertriebsweg wird immer stärker durch Online-Kanäle ergänzt.
Mit Blick auf diese gravierenden Veränderungen ist es wichtig, dass auch das Berufsbild sich der Zeit anpasst. Aktuell braucht es sieben bis acht Jahre, um ein Berufsbild zu überarbeiten. Das ist mit Blick auf die Geschwindigkeit des technischen Fortschrittes einfach zu langsam. Hier gilt es definitiv schneller zu werden.

IKZ-digital: Und welche Auswirkungen hat das alles auf den Innendienst und welche für die Monteure?
Dr. Jörg Dittrich: Schon wenn ich sehe, welche Veränderungen in meinem eigenen Betrieb stattgefunden haben und das mit der deutlich technologieintensiveren SHK-Branche vergleiche, zeigt sich die Fülle an Optionen. Dabei muss jeder Betrieb für sich schauen, was für ihn – auch mit Blick auf Mitarbeiterzahl und Kundenpool – sinnvoll ist. So ermöglichen entsprechende digitale Tools dem Innendienst, jederzeit zu wissen, welcher Monteur wo ist oder welchen Bearbeitungsstand die einzelnen Aufträge haben.
Für die Monteure wiederum nehmen Themen wie Smart Home oder das Internet der Dinge eine größere Rolle ein. Es gibt die Möglichkeit der Fernwartung via Smartphone und App.
Generell lässt sich sagen, dass durch die Digitalisierung viele Prozesse eine größere Dynamik haben. Und deshalb gilt: Egal ob Innendienst oder Monteur – die genannten Themenfelder erfordern neue Kompetenzen von den Mitarbeitern. Dabei ist es wichtig, sein Personal entsprechend zu schulen und weiterbilden zu lassen.

www.hwk-dresden.de

 


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