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Auf der Suche nach der optimalen Energieversorgung

„Smart City Wien“ ist eines der größten Energieforschungsprogramme

Aspern City: Hier wurde der energetische Wohnungsbau neu durchdacht. Bild: ASCR/Walter Schaub-Walzer

Ein Blick auf einzelne Baufelder. Bild: ASCR/Walter Schaub-Walzer

Batteriespeichersystem im Schaltschrank integriert. Bild: Fenecon GmbH & Co.KG

Batteriespeicherzellen mit eingebautem Hauptschalter. Bild: Fenecon GmbH & Co.KG

 

Eines der größten Energieforschungsprogramme findet in der Seestadt Wiens statt. In der Branche kurz „Aspern“ genannt, soll das 38,3 Mio. Euro schwere Energieforschungsprogramm die Zukunft der Energiewende entscheidend mitprägen. Im Fokus steht die Entwicklung und Testphase intelligenter Energieerzeugungs-, Verteil- und Einsatzkonzepte. Mit dem Baubeginn 2011 bündelt dieses einmalige Stadtentwicklungsprojekt im Nordosten Wiens internationales Know-how zum Thema Energieforschung. Als Initiator und Manager fungiert die Aspern Smart City Research GmbH & Co KG (ASCR), das Joint Venture eines Netzbetreibers, eines Energieversorgers, eines Technologieunternehmens und der Stadt Wien.
Drei Gebäude – ein Wohnbau, ein Studentenwohnheim und ein Bildungscampus – bilden die Smart-Building-Untersuchungsobjekte des Aspern. Das erste „Tested Smart Building“, ein Studentenwohnheim für mehr als 300 Studenten,  wurde mit einer PV-Anlage mit 250 kWp auf dem Dach, sowie einem 150 kW/170 kWh starken Batteriespeichersystem (BS) in der Tiefgarage und Heizelementen (2 x 9 kW) für Warmwasserspeicher ausgerüstet. Der elektrotechnische Teil umfasst eine Trafo- sowie eine Kontroll- und Steuerungsstation; integriert in die Gebäudeleittechnik. Das Wohnheim produziert, speichert, verbraucht und speist Energie ein. Ein echter Prosumer.
Bei größeren Speicherprojekten, vor allem im gewerblichen Bereich, ist das Thema der Wirtschaftlichkeit oft ein Problem. Meist sind die Strombezugskosten sehr gering und die Anwendung per Photovoltaik bietet bereits Profit. Pilotprojekte wie das ASCR, die Neues wagen und neuartige Technologien einsetzen, stellen für Hersteller sehr interessante Parameter bereit. In diesem Fall ein Quartierspeicherkonzept mit dem Ziel, einen größeren Gebäudekomplex zentral mit Energie zu versorgen.

Zentrales, umweltfreundliches und leistungsstarkes BS

Die Ausschreibungsphase dauerte fast ein Jahr. Es gab viel Diskussionsbedarf seitens des ASCR. Vor allem der Informationsbedarf zum Thema Speicher war hoch: Langlebigkeit, Lade- und Entladeleistungen, Systemaufbau der einzelnen Komponenten u.v.m. wurde bis ins kleinste Detail erörtert. 
Im Fokus stand die Effizienz des Systems. Hohe Wirkungsgrade und die Langlebigkeit der Batterie waren wesentliche Aspekte.
Teil dieses international viel beachteten Forschungsprojekts ist der Speicherhersteller und Entwicklungspartner von BYD, Fenecon.
Zunächst wurde ein Konzept mit Lithium-Eisenphosphat-Batterie und einem Batteriestring eingereicht. Bei kleineren Systemen ist ein String üblich, bei größeren Batteriesystemen werden mehrere Strings parallel eingesetzt, so läuft das System auch beim Ausfall einer Zelle weiter – in Abhängigkeit des BMS. Auch alle Mitbewerber setzten auf dieses Konzept.
Zum Einsatz kamen Lithium-Eisenphosphate. Im Gegensatz zur herkömmlichen Lithium-Ionen-Zellchemie wird im Akkumulator kein Sauerstoff freigesetzt und ein „thermisches Durchgehen“ ist damit weniger wahrscheinlich. Die langjährigen Erfahrungen zum Einsatz der Batteriezellen zeigten bisher keinerlei Ausfälle. Auch wurde eine spezielle Software entwickelt, um die Batterielanglebigkeit zu gewährleisten. Übrigens werden die gleichen Batterien  in  BYD Elektroautos- und Bussen eingesetzt. Die verwendeten Batteriezellen verfügen deshalb über ein Sicherheitszertifikat, das weit über die Anforderungen von stationären Stromspeichersystemen hinausgeht.
Die negativen Assoziationen, die Kunden mit chinesischer Handfertigung verbinden, sind laut Fabian Eckl dabei durchaus gerechtfertigt. Diese erreichen meist nur eine halb so lange Lebensdauer wie erwartet und weisen geringe C-Raten (C5 oder C10) auf. „Wir erreichen 85 % Entladetiefe sowie einer C-Rate von 1 – volle Be- oder Entladung in je 1 Stunde“, so Eckl weiter.
Überzeugt waren die ASCR-Projektverantwortlichen auch von den  verwendeten Zellen. Momentan teilt sich der Markt in drei Zellenformate – Rundzellen, Pouch Zellen und prismatische Zellen. DFsa bayerische Unternehmen arbeitet mit prismatischen Zellen. Viele Anbieter setzen auf Rundzellen. Sie bieten etwa 4 – 5 Amperestunden. Prismatische Zellen laufen mit 70 – 250 Amperestunden.
Welche Zellen man für ein System verwendet, ist in gewisser Weise eine Philosophiefrage. „Unsere Philosophie ist, wenn man Speicher für große Einheiten baut, sollte man große Zellen nutzen“, so Franz-Josef Feilmeier, CEO von Fencon Feilmeier. Die Logik dahinter: je weniger Zellen, desto weniger Hardware kann ausfallen. Gleichzeitig sinkt der Arbeitsaufwand im Batteriemanagementsystem – vom Modulbau, der Vernetzung bis zum Platzbedarf. Der geringere Balancing-Aufwand erhöht zudem die Wirkungsgrade und verlängert die Lebensdauer.
Größere Zellen bedeuten größere Stacks, die bereits beim Einbau in ein Alugehäuse eingebracht werden, das gutes Thermomanagement ist also bereits enthalten. Außerdem konnte im geforderten Spannungsbereich des Aspern-Projekts mit 230 Amperestunden Zellen und einem Batteriestring die Minimalkapazität von 150 kWh abgedeckt werden. Bezogen auf den Gesamtverbrauch des Studentenwohnheims wäre eine Verdoppelung der Kapazität nicht wirtschaftlich. Die Vorteile von nur einem Batteriestring lagen also klar auf der Hand: ausreichende Kapazität bei geringerem Montage- und Verdrahtungsaufwand und weniger Platzbedarf. Alles in allem eine  technisch und wirtschaftlich gute Lösung.
Bezogen auf den Kostenfaktor ist die Entscheidung nicht ganz so eindeutig. Der Systemaufbau ist entscheidend. Kleinere Zellen können mit halbierter Zellkapazität von etwa 100 Amperestunden pro Zelle agieren. So könnte die geforderte Kapazität auch mit zwei Batteriestrings realisiert werden. Alles Argumente, die auch in der Projektvorstellung für ASCR enthalten waren: Eine Lösung, die mit hoher Spannung arbeitet, so hohe Wirkungsgrade garantiert aber dennoch mit geringem BMS-Aufwand punktet.
Im Fall der Seestadt Wiens reichten die Anforderungen von der richtigen Zellwahl bis hin zur unsymmetrischen Arbeitsweise eines Speichers inklusive 3-phasigem Umrichter und dem Thema Smart Grid. Diese Herausforderung beinhaltete die zweite Speicher-Ausschreibung des ASCR. Der erste Batteriespeicher diente als Wegbereiter, um Erfahrungen zu sammeln, denn Ansatzpunkt ist meist ein Batteriespeicher mit PV-Anlage zur Eigenverbrauchsoptimierung. Das zweite Projekt, beschäftigt sich mit der Frage „Welche Vorteile Speicher dem Netz bieten und wie die Netzstabilität abseits klassischer Instrumente zu realisieren ist?“.

Herausforderung Smart Grid
Für die Initiatoren des Forschungsprojektes wird der Energiewandel von drei wesentlichen Punkten bestimmt: Einer dezentralen, fluktuierenden Stromerzeugung, neuen Lasten durch höhere E-Mobilität und Demand Response sowie dezentralen Speichern als neue Aktoren. Punkte, die die Projektverantwortlichen vor neue Herausforderungen stellen, wie z. B. die lokalen Spannungs- und Stromprobleme. Genau damit befasst sich das Folgeprojekt Speicher. Die Ausschreibung verlangte nach einem intelligenten Speichersystem, das Schieflasten im Niederspannungsnetz ausgleichen soll. Insgesamt fünf Batteriespeicher mit jeweils 100 kW für Trafostationen. Zum einen für das Baufeld Studentenwohnheim, zum anderen für weitere Baufelder in der Seestadt. Transformatoren in den Trafokojen im Kellerbereich versorgen Häuser mit Energie und nutzen Anschlüsse für Nieder- und Mittelspannung.
Nach erfolgreichem Abschluss des ers­ten Speicherprojekts zur dezentralen Versorgung des Wohnheims, beteiligte sich Fenecon an der Ausschreibung des zweiten Projekts. „Das neue Konzept war wesentlich aufwendiger und mit mehr Entwicklungsarbeit verbunden. Hier stand der Forschungsgedanke noch mehr im Vordergrund als beim ersten Projekt“, kommentiert Eckl den Projektbeginn. Das Besondere: ein 3-Phasen-Wechselrichter, der unsymmetrisch arbeiten kann. Typischerweise gibt ein Batteriespeicher auf allen drei Phasen eine symmetrische Leistung aus, im Fall des ersten Projektspeichers 50 kW pro Phase. Die fünf Speicher der zweiten Ausschreibung können bis zu 33 kW Schieflast pro Phase fahren, d. h. es ist möglich, auf Phase eins 10 kW, auf Phase zwei 20 kW usw. zu fahren. 
Ein Ansatz, weg vom klassischen Ener­gieversorger, der symmetrisch be- und entlädt, hin zum Netzstabilisator, der die Netzqualität maßgeblich beeinflusst. Die Ergebnisse dürften vor allem Netzbetreiber, die für eine gleich bleibend hohe Netzqualität verantwortlich sind, interessieren. Mittel- bis langfristig können und sollen Speicher klassische Komponenten wie Phasenschieber, regelbare Ortsnetztrafos und Kupfer in den Verteilernetzen ersetzen. Für bestimmte Netzanwendungen bieten Speicher bereits viel Potenzial: Frequenzstabilisierung, Ausgleichen von Blindleistung und Schief­last sowie die Schwarzstartfähigkeit.

Stromasymmetrie im Fokus
Die zweite Speicherausschreibung will Lösungen für den Ausgleich von Schieflasten finden. Denn immer, wenn jemand eine einzelne Steckdose nutzt, erzeugt das potenziell Schieflasten, da nur eine von den drei Phasen belastet wird. Im Fall der Seestadt erzeugten bereits die Nutzung von Heißwasser-Boilern sowie die E-Mobilität hohe Schieflasten. Speziell einphasige Elektroladestationen ziehen viel Leis­tung über einen längeren Zeitraum auf nur einer Phase.
„Das Projekt war eine echte Herausforderung. Meinem Wissen nach, hat bisher noch niemand Speicher zum Ausgleich von Unsymmetrien eingesetzt“, erzählt Feilmeier. Eine Unsymmetrie im Umrichter verursacht einen Stromrippel auf der DC-Seite, diese wirkt dann auf die Batterie. Die zentralen Entwicklungsfragen lauteten: Hält die Zelle hohe Stromrippel, verursacht durch Unsymmetrien, aus? Wie muss man das Batteriemanagementsystem anpassen? Wie wird die Funktion des Wechselrichters gewährleistet? Wie müssen die einzelnen Leitungen ausgelegt sein? Wie viel Unsymmetrie ist grundsätzlich möglich? Diese Fragen waren Teil der Ausschreibung. Verschiedene Hersteller, u. a. große Branchennamen, reichten technische Vorschläge ein, um Unsymmetrien im Netz mit ihrem Speichersystem aufzulösen.
Für das Aspern-Projekt wurde eine eigene Steuerungssoftware entwickelt. Die Grundzüge existierten bereits aus verschiedenen anderen Projekten, aber die Feinabstimmung erfolgte zu 100 % nach den spezifischen Projektanforderungen. Es wurden fünf Systeme für das Projekt bereitgestellt. Alle werden durch eine zentrale Steuerung geclustert. Die Trafostationen sind durch Lichtwellenleiter miteinander verbunden, und über eine zentrale Steuerung kann man jede einzelne Anlage parametrieren. Die Lokalsteuerung ist in jeder einzelnen Einheit individuell steuerbar. Die Verantwortlichen des ASCR können so herausfinden, wie sich verschiedene Anwendungen auswirken. Z. B. Peak-Shaving einzusetzen oder die Spannung durch Q-U-Regelungen testen, um im zweiten Schritt die Unsymmetrien auszugleichen. Ein vom ASCR festgelegter Zeitplan regelt, welche Anwendung zu welchen Zeitpunkten getestet wird. Zum Einsatz kam eine Open Source Software mit Weitergabe aller Informationen und Daten zu den Wirkungsgraden etc. Alle Systeme sind mit einer offenen Schnittstelle ausgestattet. So können unterschiedlichste BMS auf das implementierte System zugreifen. Die Automatisierung der einzelnen Anwendungen sowie die letztliche Anbindung zur Leit­ebene des Netzbetreibers vor Ort erfolgt erst nach und nach direkt über die ASCR.

Die Energiezukunft mitgestalten
Für Franz Josef Feilmeier geht der Weg aber noch weiter. Er sieht diese eindimensionale Anwendung, also einen Speicher nur zum Ausgleich von Unsymmetrien, als noch zu teuer, verglichen mit klassischen Netzausbaumaßnahmen. Aber er erhofft sich eine mehrdimensionale Anwendungszukunft als zentrales Ergebnis dieses Projekts. Da der Speicher maximal 20 % der Zeit für diesen Ausgleich benötigt, stehen 80 % Anwendungszeit frei. „Unsere Philosophie ist es, verschiedene Anwendungen über die Software auf ein System zu konzentrieren. So könnte der Speicher neben seiner Hauptaufgabe andere Wertschöpfung generieren, z. B. Peak Shaving zur Netzdienlichkeit. Wir könnten die Leistung in das vorgelagerte Netz einspeisen oder den Bezug in hochpreisigen Phasen reduzieren“. Im Hinblick auf die Energiewende, kann der Speicher von zwei verschiedenen Adressaten zu unterschiedlichen Preisen eingesetzt werden, dem Netzbetreiber und dem Verbraucher. Feilmeier sieht die Zukunft darin, Gewerbetreibende oder privaten Verbrauchern die Flexibilität eines Direktvermarkters zu bieten.
www.aspern-seestadt.at
www.fenecon.de
www.byd.com

 


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