IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14/2000, Seite 54 ff.


INTERVIEW


Vaillants Visionen

Der neue Geschäftsführer Marketing/Vertrieb, Dr. Michel Brosset, im Gespräch mit der IKZ-HAUSTECHNIK

Seit dem 1. 1. 2000 hat das in Remscheid ansässige Unternehmen Vaillant einen neuen Geschäftsführer für die Bereiche Marketing und Vertrieb: Dr. Michel Brosset. Er kommt von Villeroy & Boch und möchte bei dem deutschen Hersteller von Heizgeräten vieles bewegen: Trotz schwieriger Lage auf dem deutschen und europäischen Heizgerätemarkt möchte Brosset das Traditionsunternehmen wieder auf Wachstumskurs bringen. Die IKZ-HAUSTECHNIK-Redaktion war in Remscheid und hat mit ihm gesprochen.

»Langfristig werden in Europa nur fünf große Hersteller Heizgeräte anbieten - Vaillant eingeschlossen.«

Wenn Brosset über Vaillant spricht, meint er ein deutsches Unternehmen mit internationalem Charakter. Schon seit vielen Jahrzehnten ist das Heizgeräteunternehmen, das 1874 von Johann Vaillant in Remscheid gegründet wurde, über die Grenzen Deutschlands präsent. Mit Erfolg, wie der gebürtige Franzose Brosset versichert. In Deutschland, Österreich, Großbritannien, den Niederlanden und Italien zählt sich Vaillant zu den führenden drei Anbietern, ebenso in Europa insgesamt. "Das Geschäft wird immer internationaler, immer komplexer", so Brosset.

Seit einigen Jahren hat der europäische Heizkesselmarkt mit enormen Überkapazitäten zu kämpfen. 30% werden in Fachkreisen genannt. Die Folgen sind weniger verkaufte Geräte bei gleichzeitigem Preisverfall. Eine Rosskur, die sich Vaillant vor einigen Jahren selbst auferlegte, hat die Belegschaft von damals 6600 auf heute 5100 zurück gehen lassen. "Dies war unerlässlich, um das Überleben und die Kontinuität des Unternehmens zu sichern", interpretiert Brosset. "Nun kommt die nächste Phase, nämlich profitables Wachstum, denn mit Kostensenkung allein ist es nicht getan."

»Obwohl die Produktqualität steigt, sinken insgesamt die Produktionskosten.«

In Europa werden die Karten der Marktbedingungen derzeit neu gemischt, daher sei es ratsam, nicht abzuwarten, sondern selbst die Initiative zu ergreifen. Früher gab es weit weniger Anbieter von Gasgeräten als heute. "Langfristig wird die Konzentration unter den Herstellern dazu führen, dass nur wenige Firmen übrigbleiben: Wir wollen natürlich dabei sein".

Vaillant will wieder wachsen, also Umsatz und Gewinn steigern. Das ist der Grund, warum der promovierte Wirtschaftswissenschaftler zu Vaillant gegangen ist. Denn seit einigen Jahren stagniert der Umsatz der Remscheider bei rund 1,7 Mrd. DM. Brosset möchte "akzeptable" Zuwachsraten und blickt deshalb auf die Exportmärkte Niederlande, England und Italien. Dabei seien auch Übernahmen von Unternehmen zum Erreichen des Ziels denkbar. Und so wurde kürzlich ein Unternehmen zugekauft: der bei Turin (Italien) ansässige Kesselhersteller BPK (Bongioanni Pensotti Kalore). Die Vorbereitungen zur Übernahme des BPK-Kesselgeschäfts laufen derzeit. Mit ihm wird die Vaillant-Belegschaft um 170 Mitarbeiter und der Umsatz um rund 60 Mio. DM (+4%) gesteigert. Noch wichtiger: Mit dem addierten Absatz von über 100 000 Kesseln stößt Vaillant in die europäische Spitzengruppe im Stand-Heizgeräte-Markt vor.

»Als zukunftsweisendes Unternehmen muss man Visionen haben.«

Auch die Steigerung der Produktqualität wird bei Vaillant als Meilenstein zur Erreichung der Marktführerschaft verstanden. Durch die Einführung des Exzellenz-Modells 1996 hat ein Wandel in der Firmenphilosophie stattgefunden, der von der Belegschaft akzeptiert und gelebt wird und der messbare Ergebnisse und Verbesserungen hervorgerufen hat. Teil des Modells ist auch die gemeinsame Festlegung von Jahreszielen für Mitarbeiter und Führungskräfte, deren Erreichung sich positiv auf die finanzielle Situation des Einzelnen auswirkt. Der Produktionsablauf unterliegt dabei einer ständigen Messung, sei es die Stückzahl der hergestellten Produkte, deren einwandfreie Funktion oder die Montagezeiten. Dadurch sei die Reklamationsrate in den letzten Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Die mit dieser Umstrukturierung des Produktionsablaufs einhergehende Kostensteigerung falle geringer aus, als die Kosten, die früher durch die Rücknahme defekter Geräte entstanden seien. "Obwohl die Produktqualität steigt, sinken insgesamt die Produktionskosten", bringt es Brosset auf den Punkt.

Mit der Einstufungsmessung der Schornsteinfeger wird für jedes Heizgerät in Deutschland festgelegt, wann es auf Grund seines Alters und seines Abgasverlustes ausgetauscht werden muss. Davon verspricht sich die Heizungsbranche einen besonderen Nachfrageschub: Studien zufolge sollen es 2 Mio. Wärmeerzeuger sein, die in den kommenden vier Jahren erneuert werden müssen. Das bedeutet immerhin ein rechnerisches Zusatzpotenzial von jährlich 500 000 Geräten - auch in diesem Jahr. Doch Brosset dementiert: "Auf dem deutschen Markt tut sich derzeit noch nicht sehr viel mehr. Das ist für die gesamte Industrie, dem angegliederten Großhandel und für das verarbeitende Handwerk nicht gut." Denn erstens, so kritisiert der Vertriebschef, hemmen die langen Übergangsfristen die Nutzung der heute verfügbaren Kapazitäten und zweitens werde gegen Ende der Übergangsfrist ein Nachfrageboom entstehen, der nicht vernünftig abgearbeitet werden könne.

1894 erhielt Johann Vaillant das Patent auf seinen Gas-Badeofen, bei dem erstmalig in der Geschichte der Warmwasserbereitung das Wasser nicht mit den Heizgasen in Berührung kam.
Der Vaillant Combi-Geyser VCW 20 war 1967 das erste wandhängende Gerät, das Heizung- und Warmwasserbetrieb vereinte.
Eine Studie des Vaillant Brennstoffzellenheizgerätes, mit dem Strom und Wärme erzeugt werden sollen. Gelingt dem Remscheider Hersteller damit der Hattrick?

Als zukunftsweisendes Unternehmen, so Brosset, müsse man Visionen haben. Nach Vorstellung Vaillants soll in der Welt von morgen das Brennstoffzellenheizgerät diese Funktion übernehmen und eine besondere Bedeutung bei den Remscheidern einnehmen. Es gewinnt aus dem Brennstoff Erdgas umweltfreundlich und mit hohem Wirkungsgrad Strom und Wärme. Die technische Herausforderung besteht zur Zeit in dem Reformer, der aus dem Erdgas den für den Betrieb notwendigen Wasserstoff spaltet. In dieses Projekt steckt Vaillant sehr viel Kraft, um den selbst gesteckten Zeitrahmen einzuhalten. Brosset: "Mitte des nächsten Jahres findet der Feld-Großversuch statt. Die Serienvermarktung beginnt 2003. Im Jahr 2010 rechnen wir mit einem Jahresabsatz von 100 000 Geräten, was einem europäischen Marktanteil von 40% entspricht."

Da es sich immerhin um High-Tech-Heiztechnik handelt, stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Klientel prädestiniert ist, Brennstoffzellenheizgeräte einzubauen. Doch für Brosset ist dies keine Frage: "Es kommen nur Installateure und Heizungsbauer in Frage." Natürlich, so räumt er ein, müssen sich die Partner, die sich dieser anspruchsvollen Technik öffnen, Spezialkenntnisse aneignen, die ihnen Vaillant in Form von Schulungen vermitteln wird.

Vaillant hat ehrgeizige Ziele, das gibt Brosset zu und zieht ein Resümee: "Vaillant hat in der 126-jährigen Geschichte schon zwei Mal den Markt gemacht, 1894 mit der Erfindung des Gas-Badeofens und Ende der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts mit der Erfindung wandhängender Kombi-Heizgeräte. Den Hattrick schaffen wir mit dem Brennstoffzellenheizgerät."


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