IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 22/1999, Seite 44ff.


HEIZUNG


Komfortable Tribünenbeheizung mit Hellstrahlern

Premiere in deutschen Fußballstadien

Tribünenheizung BayArena.

 

Dr. Andreas Kämpf*

Die BayArena in Leverkusen ist Deutschlands erstes Bundesliga-Stadion, das mit einer modernen Tribünenheizung ausgestattet ist. 220 gasbetriebene Heizstrahler sorgen für angenehme Temperaturen auf der Tribüne und im Umgriffsbereich. Diese neue Anwendung für Gasinfrarotstrahler erhöht den Zuschauerkomfort und erleichtert die Entscheidung auch bei kalten unangenehmen Außentemperaturen den Stadionbesuch anzutreten. Der folgende Beitrag beschreibt das Beheizungssystem, seine Projektierung sowie die Ergebnisse der Komfortmessung.

Da große Sportstadien meist offene Gebäude sind, also Bauwerke ohne geschlossene Dachkonstruktion, werden an das Heizsystem besonders hohe Anforderungen gestellt. Windeinflüsse in offenen Sportstätten und die fehlende Gebäudehülle machen den Einsatz von konventionellen Warmluftheizsystemen unmöglich. Heizsysteme für die Tribünenbeheizung sollten nicht die Umgebungsluft aufheizen, sondern direkt die Personen im Aufenthaltsbereich erwärmen. Da die Aufenthaltszeit in Sportstadien meist nur wenige Stunden beträgt, muß die Wärme sofort Einsatzbereit sein. Lange Aufheizzeiten bedeuten hohen Energieeinsatz ohne direkten Nutzen.

Gasinfrarotstrahler

Ein Heizungssystem, das für die gestellten Anforderungen optimal erscheint, ist die Gasinfrarotstrahlungsheizung (Bild 1). Die Strahler werden mit Erdgas oder Flüssiggas betrieben. Die Infrarotwärmestrahlung ist eine ideale Energieform für viele Anwendungsfälle, die mit konventionellen Heizsystemen nicht erbracht werden kann. Sie ist sauber und regulierbar, hat keine Verteilungsverluste und ist sofort nutzbar. Die verfügbaren Systeme sind einfach zu installieren und leicht zu warten.

Der Gasinfrarotstrahler emittiert kurzwellige Infrarotstrahlung, die sich beim Auftreffen auf feste Körper in Wärme umwandelt. Da die Luft nahezu strahlungsdurchlässig ist und damit nicht erwärmt wird, können offene Sportplatztribünen oder Freiflächen unterschiedlicher Nutzungsart wirtschaftlich und komfortabel beheizt werden.

Behaglichkeit durch Gasinfrarotstrahler

Thermische Behaglichkeit läßt sich durch eine Kombination von Lufttemperatur und Strahlungstemperatur auf unterschiedlichstem Wege erzeugen. Wo Luftheizungen systembedingt hohe Lufttemperaturen erzeugen müssen, um Komfort zu schaffen, können Strahlungsheizungen bedingt durch hohe Strahlungstemperaturen die Lufttemperatur niedrig halten. Die von Personen empfundene Temperatur im Freien setzt sich zusammen aus der Außenlufttemperatur und der Strahlungsintensität, entweder hervorgerufen durch die Sonneneinstrahlung an einem bestimmten Ort oder einer Strahlungsheizung. Die Wirkung der Gasstrahlungsheizung ist mit der Sonnenstrahlung im Hochgebirge vergleichbar, wo selbst bei Minusgraden, aufgrund der vorhandenen Infrarotstrahlung, ein angenehmes Klima empfunden wird.

Durch den hohen Strahlungswärmeanteil der Gasinfrarotstrahler wird schon bei geringen Luft- bzw. Außentemperaturen ein hoher thermischer Komfort geschaffen. Die Umgebungsluft bleibt kühl und frisch, so daß das Klima angenehm und gesund empfunden wird. Ein indirekter Heizeffekt liegt in der Erwärmung von Wänden, Fußboden und anderen Gegenständen. Die Oberflächentemperaturen dieser Flächen steigen über den Wert der Lufttemperatur, so daß diese Flächen als zusätzliche Heizflächen dienen.

Bild 1: Moderner Gasinfrarotstrahler mit hohem Strahlungswirkungsgrad.

Für geschlossene Räume mit üblicher Luftbewegung gilt, daß 14 W/m2 Strahlungsintensität eine Temperaturerhöhung von 1°C bewirken. Eine Temperaturanhebung von 10°C durch Strahlung erfordert demnach 140 W/m2 Strahlungsintensität. Da der Stadion-Innenbereich teils höheren Windgeschwindigkeiten unterliegt, wird bei der Projektierung von Freiflächen eine höhere Strahlungsintensität eingeplant um den negativen Einfluß der kalten Winde zu kompensieren.

Gasinfrarotstrahler in Fußballstadien

In Holland werden zahlreiche Fußballstadien mit Gasinfrarotstrahlern betrieben. Die durchweg positiven Erfahrungen führen zu einer ständigen Verbreitung dieser Heizsysteme. Auch in Deutschland konnte vor wenigen Monaten die erste Tribünenheizung in einem Bundesliga-Stadion in Betrieb genommen werden.

BayArena Leverkusen

Die BayArena wurde 1986 zum heutigen Stadion umgebaut und erhielt über dem Tribünenbereich eine lichtdurchlässige Dachkonstruktion. Die Kapazität des Stadions beträgt 25 000 Sitzplätze.

Bild 2: Schnittzeichnung der BayArena (Markierung der Meßfläche).

Aufgabenstellung des Projektes war die komplette Beheizung aller Tribünenbereiche sowie die Beheizung der Umgriffsebene, in der sich der Imbiß- und Toilettenbereich befindet. Die Umgriffsebene liegt unterhalb der Tribünentreppen und umschließt den kompletten Stadionbau.

Die Heizstrahler sollten im Aufenthaltsbereich eine Temperaturerhöhung um 8°C bewirken und eine gleichmäßige Bestrahlung der Zuschauer garantieren. Die möglichen Installationspunkte für die Heizstrahler waren durch die Dachkonstruktion und spezielle Wünsche des Betreibers festgelegt.

Das Bild 2 zeigt die BayArena. Es wurden unterschiedliche Tribünenbereiche rechnerisch untersucht. Der schraffierte Bereich wird nachfolgend ausgewertet.

Nach umfangreichen Simulationsrechnungen mit unterschiedlichen Installationsvarianten wurde für die Beheizung der Tribüne eine Installation in drei Strahlerreihen festgelegt. Die erste Reihe, mit der größten Installationshöhe über den Sitzreihen, wurde mit 36 kW Strahlern vorgenommen. Die zweite und dritte Reihe wurde jeweils mit Tandemstrahler von 24 und 18 kW ausgeführt. In der ersten Strahlerreihe beträgt der Abstand zwischen den Strahlern 6,5 m, in der 2. und 3. Reihe wurden die Strahlerpärchen im Abstand von 13 m installiert. Das Bild 3 zeigt die BayArena während der Strahlerinstallation.

Bild 3: Strahlerinstallation in der BayArena.

Die Elektronik der Strahler wurde speziell für den Außenbetrieb abgedichtet, zusätzliche Einrichtungen wie Mehrfachzündboxen und doppelte Flammenüberwachungskerzen erhöhen die Zuverlässigkeit auch bei windigem Wetter.

Das Bild 4 stellt die berechnete und gemessene Strahlungsverteilung auf der Osttribüne zwischen Block B1 und B3 dar. Mit einem Strahlungsempfänger (Komfortmeter) wurden die Strahlungsintensitäten im Aufenthaltsbereich der Zuschauer, ca. 1,5 m über dem Boden, erfaßt. Insgesamt wurden etwa 100 Meßdaten zwischen den Sitzreihen 3 und 25 aufgenommen und grafisch ausgewertet. Der Bereich unterhalb der Sitzreihe 3 und oberhalb der Sitzreihe 25 wurde nicht erfaßt und wird in der Grafik durch weiße Flächen gekennzeichnet (Bild 4, unten).

Bild 4: Berechnete und gemessene Strahlungsverteilung in W/m2.

Die Berechnung umfaßt die gesamte Tribünenbreite (Bild 4, oben). Die Grafik stellt die Auswertung von über tausend Berechnungspunkten dar. Auffällig ist die sehr gute Übereinstimmung von Meßwerten und Berechnung, sowohl in der absoluten Höhe der ermittelten Strahlungsintensitäten wie auch bezüglich der Verteilung.

Für die Messung konnte nur eine begrenzte Anzahl von Meßpunkten ermittelt werden, so daß die Darstellung der Verteilung scharfkantiger erfolgt. In dem unteren Diagramm ist die Installation der Strahler durch schwarze Rechtecke gekennzeichnet.

Die Strahlungsverteilung liegt im überwiegenden Bereich der Tribüne zwischen 180 und 250 W/m2. Im oberen Sitzplatzbereich (Sitzplatzreihe 18) ist ein Abfall der Strahlungsintensität zwischen den Strahlern zu verzeichnen. Die Strahler konnten hier aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nur in Abständen von 13 m installiert werden. Bedingt durch die geringeren Installationshöhen im oberen Tribünen-Block ist eine absolut gleichmäßige Bestrahlung nicht möglich. Subjektiv ist der Unterschied jedoch nicht wahrzunehmen. Die Strahlungsintensitäten liegen auch hier noch deutlich über 150 W/m2.

Bild 5: 3D-Ansicht der berechneten Osttribüne.

Bild 5 zeigt die berechnete Strahlungsverteilung in dreidimensionaler Ansicht über nahezu der gesamten Osttribüne. Die Abnahme der Intensitäten an den Tribünenenden ist durch die Strahleranzahl der Berechnung bedingt. Da die Strahler im Stadion rundherum gleichmäßig angeordnet sind, tritt dieser Effekt in der Realität nicht auf.

Die ermittelten Strahlungsintensitäten verursachen auf der Tribüne eine Temperaturerhöhung, die den thermischen Komfort der Zuschauer steigert. Um die Temperaturbedingungen auf der Tribüne exakt zu erfassen, wurden die instationären Temperaturverläufe während eines Spieltages aufgezeichnet. Es wurde die Lufttemperatur innerhalb des Stadions (Tribünenbereich), die Lufttemperatur außerhalb des Stadions, die Empfindungstemperatur auf der Tribüne sowie die relative Luftfeuchtigkeit im Stadion gemessen (Bild 6).

Die Strahlungsanlage wurde gegen 16.00 Uhr in Betrieb genommen. Die Temperatur- und Feuchtemessung wurde gegen 17.30 Uhr gestartet. Bei einer durchschnittlichen Außentemperatur von ca. 7°C ist während des Heizbetriebes eine Empfindungstemperatur von im Mittel 19°C erreichbar. Der Temperaturunterschied liegt im Heizbetrieb immer über 10°C gegenüber der Außentemperatur.

Gegenüber der Lufttemperatur im Aufenthaltsbereich liegt die Empfindungstemperatur um durchschnittlich 6,5°C höher. Die Strahlungsintensität an der Meßstelle betrug bei eingeschalteten Strahlern ca. 145 W/m2.

Bild 6: Temperatur- und Feuchtemessung auf der Tribüne.

Zwischen 18.30 und 19.30 Uhr wurden die Strahler zur Überprüfung des Automatikbetriebes der Regelungsanlage außer Betrieb genommen. Der Abfall der Empfindungstemperatur aufgrund der fehlenden Einstrahlung im Aufenthaltsbereich ist deutlich erkennbar. Das Ziel der Projektierung, eine Temperaturerhöhung von 8°C auf den Sitzplätzen zu gewährleisten, ist somit vollständig erfüllt.

Die Heizungsanlage sollte insgesamt 14 Schaltkreise aufweisen. Abhängig von der Tribünenlufttemperatur sind die Strahler der verschiedenen Regelkreise in Betrieb zu nehmen.

Die Außenlufttemperatur, die Tribünenlufttemperatur und die Strahlungsintensität an einem Referenzort sind permanent anzuzeigen. Darüber hinaus sollte im Falle eines Katastrophenalarms die Gaszufuhr zentral an der Gasübergabestation gestoppt werden. Die Regelungsanlage sollte eine manuelle sowie eine automatische Fahrweise der Strahlungsheizsysteme zulassen. Bei der automatischen Fahrweise sind die Umgriffsebene und die Tribünenebene unabhängig voneinander über zu programmierende Zeitintervalle zu- bzw. abzuschalten.

Bild 7: Regelschrank Tribünenheizung.

Bild 7 zeigt den zentralen Regelschrank für die gesamte Strahlungsheizanlage in der BayArena. Im Bereich der Tribüne wurden die Heizstrahler in 9 unabhängige Schaltgruppen zusammengefaßt. Der Umgriffsbereich wurde in 5 Schaltgruppen eingeteilt. Die Regelung der Anlage wird über zwei Temperaturfühler realisiert, die beim Überschreiten bestimmter Grenztemperaturen, die Strahlerreihen unabhängig voneinander ab- bzw. zuschalten.

Durch die Inbetriebnahme der Tribünenheizung ca. 45 Minuten vor Spielbeginn wird eine Temperaturerhöhung der Sitzflächen und des Fußbodens erzielt, der den Komfort im Aufenthaltsbereich zusätzlich steigert. Die Umgriffsebene wird noch 2,5 Stunden nach Spielbetrieb beheizt, um den Aufenthalt der Zuschauer in den Gastronomiebereichen zu verlängern.

Das Bild auf der ersten Seite zeigt die installierte Tribünenheizung im Betrieb. Insgesamt wurde eine Wärmeleistung auf der Tribüne von 5016 kW installiert. Dies entspricht, bei einem 2,5stündigen Betrieb, einem Gasverbrauch von etwa 1250 m3. Unter der Annahme eines Gaspreises von 0,4 DM/m3 entspricht das Energiekosten von 500 DM pro Spiel. Die einmaligen Investitionskosten belaufen sich auf ca. 40 DM pro Sitzplatz, d.h. bei einem Fassungsvermögen von 25 000 Zuschauern etwa 1 Mio. DM. Im Umgriffsbereich sind darüber hinaus 1260 kW Strahlerleistung installiert.

Die Reaktionen des Publikums sind durchweg positiv. Dem Service am Zuschauer kommt eine immer größere Bedeutung zu. Viele Zuschauer nehmen gerne ein geringfügig erhöhtes Eintrittsgeld in Kauf um dafür während der Sportveranstaltung ein angenhmes Raumklima zu erleben. Für den Betreiber der Sportstätte hat sich die Investition in kürzester Zeit amortisiert.


*) Dr. Andreas Kämpf*, GoGaS Goch GmbH & Co.


*) B i l d e r :   GoGaS Goch GmbH & Co., Dortmund; Co.


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