IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/1999, Seite 32 ff.


HAUS DER TECHNIK


Kriterien für das Urinal

Aspekte der Nutzung, der Hygiene und des Wasserverbrauchs

Dr.-Ing. Hugo Feurich VDI

Die natürliche Harnableitung, d.h. der Abfluß des durch die Nieren dauernd sich bildenden und in der Harnblase ansammelnden Harns unterliegt verschiedenen Problemstellungen. Diese ergeben sich aus unterschiedlichen gesundheitlichen und anatomischen Voraussetzungen zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht, aus einer unterschiedlichen Handhabung des Harnlassens, aus unterschiedlichen Sanitäreinrichtungen und ihrer Nutzungsfunktion sowie den sich ergebenden Hygienebedingungen.

Harnentleerung

Havelock Ellis bemerkt bezüglich des Harnlassens [1,2]: Es wäre ein Fehler anzunehmen, daß die hockende Haltung immer und überall bei Frauen üblich gewesen sei; genauso falsch ist die Ansicht, die Männer würden dabei immer stehen. Herodatus berichtet, daß in Ägypten "die Frauen stehend Wasser lassen und die Männer sich beugen". Aus Irland, wo sich die Frauen eines ziemlich hohen gesellschaftlichen Status erfreuen, wird berichtet, daß "die Männer sitzend urinieren und die Frauen im Stehen". Ein Einflußfaktor ist dabei die Kleidung. Auch in Deutschland wurden bereits 1908 Frauenpissoire angefertigt (Bild 1). Pissoirbecken aus Gußeisen emailliert in unterschiedlichen Ausführungen, auch mit Klappe, aus dem Jahre 1923 zeigt Bild 2.

Harn (Urin), die von den Nieren abgesonderte, organische und anorganische Bestandteile enthaltende Körperflüssigkeit, wird in einer normalen Tagesmenge bei Männern von 1500 bis 2000 ml, bei Frauen von 1200 bis 1700 ml ausgeschieden [3]. Dabei wird der in der Niere dauernd gebildete Harn durch periodisches Zusammenziehen der Harnleiter in die Harnblase befördert und von dort nach Anhäufung von 200 bis 250 ml unter dem Gefühl des Harndranges durch Zusammenziehen der Blasenmuskulatur und öffnen des Schließmuskels entleert [4].

Bild 1: Wandhängendes und bodenstehendes Frauenpissoir (Handbuch der Architektur III. Teil, Leipzig 1908).

Bei älteren Menschen ist vielfach ein häufigeres Bedürfnis zum Harnlassen vorhanden. Das gilt besonders für Männer mit Prostataproblemen. Die gutartige Vergrößerung der Prostata ist das häufigste Männerleiden [5]. Jeder zweite Mann ab 50 Jahren ist davon betroffen. In der Altersgruppe der 60- bis 70jährigen stellen die Ärzte bereits bei Dreiviertel aller Männer eine benigne Prostata-Hyperplasie (BPH) fest. Diese äußert sich durch einen plötzlichen, heftigen Harndrang, vor allem nachts. Das Gefühl, die Blase nicht vollständig entleeren zu können sowie ungewollte Harnabgänge sind weitere Beschwerden. Es entsteht "Restharn". Längerfristig kann dies zur Infektion der Harnblase und der ableitenden Harnwege führen. Unbehandelt können solche Entzündungen bei älteren Männern zur Urosepsis und in schweren Fällen zum Tod führen.

Anatomische Unterschiede

Der wichtigste und offensichtlichste Unterschied zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht besteht in der Lage und in der Natur der eigentlichen Harnöffnung. Bei der Frau befindet sich diese vor der Vagina geschützt innerhalb der Schamlippen, so daß wenig Kontrolle über die Richtung des Harnstroms in der üblichen Sitzhaltung gegeben ist. Beim Mann befindet sich die Harnröhren-Öffnung im Penis und liegt außerhalb des Körpers, wodurch bei der üblichen stehenden Position und dem Halten mit der Hand eine ungefähre Kontrolle des Harnstrahls innerhalb der gesamten Reichweite möglich ist [1].

Auswirkungen

Nach Untersuchungen von Kira, die im Rahmen eines 7-Jahre-Forschungsprojektes bei der Zentrale für Wohnungs- und Umweltstudien an der Cornell Universität durchgeführt wurden, fließt der Harn beim Mann durch die schlitzähnliche Harnöffnung in Form eines dünnen Strahls, der auf ca. 100 bis 150 mm einmal um die eigene Achse rotiert und sich in einen Sprühstrahl auflöst [1]. Danach verhalten sich der Punkt der Auflösung als auch der größte Durchmesser des Sprühstrahls direkt proportional zu der Geschwindigkeit des Harnstroms, d.h. zum Druck der Blase. Der auseinandergehende Harnstrom führt bei einem größeren Abstand des Auffangbeckens zum Penis insbesondere durch Rückspritzer zur eigenen Beschmutzung und die der Umgebung bei einer stehenden Position vor dem Klosett, vor einem Standurinal, weniger dagegen vor einem Wandurinal (Bild 3).

Bild 2: Großes Schnabel-Pissoir und Klapp-Pissoir aus Gußeisen, emailliert (1923).

Zu berücksichtigen ist, daß auch trotz der Fähigkeit des Mannes, den Auftreffpunkt des Harnstrahls verhältnismäßig genau bestimmen zu können, beim Hantieren mit dem Penis leicht etwas daneben geht. Vor allem nach einer Harnentleerung fallen in der Regel mehrere Harntropfen beim Klosett auf den Beckenrand oder Sitz, auf den Fußboden und auf die Bekleidung, beim Wandurinal auf den Fußboden und die Bekleidung. Auch das Schütteln und Abstreifen des Penis mit der Hand zur Entfernung letzter Harntropfen ist hygienisch und wegen einer in die Unterwäsche gelangenden Restfeuchte negativ zu bewerten. Dagegen ist das Entfernen der letzten Harntropfen bei einer sitzenden WC-Benutzung durch Abwischen mit Toilettenpapier für Männer und Frauen gleicherweise eine verhältnismäßig einfache und hygienisch vertretbare Handhabung.

Auffangbehälter

In Rom und Pompeji gab es viele öffentliche Bedürfnisanstalten, die teilweise mit öffentlichen Pissoiren verbunden waren. Letztere bestanden aus großen Vasen mit breiter Öffnung. Der aufgefangene Harn diente Wollwäschern und Gerbern als Reinigungsmittel. Das Sammeln von Harn unterlag einer Steuer. Non olet! "Es riecht nicht" sagte Titus, als ihm sein Vater Vespasianus in Rom um 75 v. Chr. Geld von der Harnsteuer vor die Nase hielt; denn Titus hatte ihn vorher wegen dieser Steuer getadelt.

Die offenen Pissoirs in Frankreich heißen übrigens auch heute noch vespasienne (Bedürfnisanstalt für Männer). In Berlin gab es 1824 die erste Bedürfnisanstalt in der Nähe der Nicolaikirche. Es dauerte bis ins Jahr 1876, bis auf energisches Betreiben des Polizeipräsidenten von Maday die ersten 56 "Stehanstalten" aufgestellt wurden.

Bild 3: Harnspritzer bei typischen Urinalen [1]:
a Standurinal;
b Wandurinal.

Heute gehören Urinalanlagen vor allem zur Einrichtung stark frequentierter Abortanlagen für Männer. Das gilt für öffentliche Bedürfnisanstalten, die allerdings zunehmend durch "City-Toiletten" mit nach einer Benutzung automatisch gesäuberter, desinfizierter und getrockneter Klosettanlage (ohne Urinal) ersetzt werden, für Bahnhöfe, Industriebetriebe, Büro- und Geschäftshäuser, Gaststätten, Hotels, Theater, Schulen, Sportstätten und dergleichen. Dafür spricht ein geringerer Zeitaufwand bei der Benutzung eines Urinals gegenüber der Benutzung eines Klosettbeckens und die sich daraus ergebende größere Frequentierung gemeinschaftlicher Abortanlagen. Außerdem ist der beanspruchte Raum je Urinal kleiner als für ein Klosettbecken.

Der Einbau von Urinalen in privaten Wohnungsbädern und WC-Räumen wird empfohlen. Begründet wird dies damit, daß kein WC ein Urinal ersetzen kann, da die Zielgenauigkeit mit zunehmendem Abstand zum Auffangbehälter abnimmt. Wegen eventueller Zielprobleme ist mit einer Verschmutzung auf den Schuhen, dem Fußboden oder bei aufgeklapptem WC-Sitz auf dem Beckenrand zu rechnen. Aus ökologischer Sicht sollen Urinale eine beachtliche Wasserersparnis bewirken, da für eine Urinalspülung 2 Liter genügen.

Bild 4: Standurinalanlage System ERNST ohne Wasserspülung für Standbreiten von 600 und 680 mm (Hygiene-Technik).

Urinalanlagen werden heute mit Standurinalen, Urinalrinnen und Wandurinalen ohne und mit Wasserspülung ausgeführt (Bilder 4 bis 6). Wandurinale stehen zur Auswahl ohne und mit Deckel, ohne und mit "Kerze" oder "Fliege" als einglasiertes Zielobjekt.

Spüleinrichtungen für Einzelspülung, die den geringsten Wasserverbrauch ergeben, werden mit Druckspülern für Hand- oder Fußbetätigung sowie mit Magnetventilen und Steuerelektronik für eine berührungslos opto-elektronisch oder radar-elektronisch (höchste Sicherheit gegen Vandalismus) gesteuerte Spülung (Bild 6) ausgestattet. Aus Gründen der Hygiene sind berührungslos gesteuerte Spüleinrichtungen zu empfehlen, worauf auch in der DIN 1986-1 hingewiesen wird.

Bewertung

Urinalanlagen haben im Vergleich mit Klosettanlagen für die Harnentleerung nur die Vorteile eines geringeren Zeitaufwandes bei der Benutzung und eines geringeren Flächenbedarfs.

Bild 5: ERNST Reihen-Wandurinalanlage ohne Wasserspülung, aus glasfaserverstärktem Polyester (Hygiene-Technik).

Beim Harnlassen der Männer in stehender Stellung vor dem Klosett oder vor dem Wandurinal ist gleicherweise mit einer Verschmutzung von Beckenrand, Sitz, Deckel und Fußboden durch Harntropfen zu rechnen. Das Urinal verlagert nur die hierfür erforderliche Reinigungsarbeit und verdoppelt sie gleichzeitig, da jeder Sanitärgegenstand regelmäßig gereinigt und gepflegt werden muß. Die Benutzung des Urinals ohne Entfernung einer Restfeuchte mit Toilettenpapier hat dazu den Nachteil, daß diese zu einer Verschmutzung der Unterwäsche führt.

Die für das Wandurinal geltend gemachte Wasserersparnis trifft nicht zu. Eine einwandfreie Ausspülung von Urin und vier Blatt Toilettenpapier (zur Beseitigung der Restfeuchte sowohl für Frauen und Männer angebracht) ist bei Klosettbecken mit guten Spüleigenschaften bereits mit einem Spülwasservolumen von 1,5 Liter statt 2 Liter beim Absaugeurinal zu erreichen [6]. Es hat wenig Sinn, wenn man sich hier für Klosettbecken auf einen genormten Richtwert von mindestens 3 Liter bezieht. Schließlich kann man bei Verwendung von ERNST-Wandurinalen ganz ohne Wasser auskommen.

Bild 6: Wandurinal: a mit batteriebetriebener opto-elektronischer, b mit radar-elektronischer Urinalspülarmatur für 230 V/50 Hz Netzspannung (Geberit).

Ein wesentliches Argument gegen das Harnlassen in stehender Stellung und damit gegen Urinalanlagen ist der Umstand, daß eine Harnentleerung der Blase in sitzender Stellung gründlicher als in stehender Stellung erfolgt und daher gesundheitlich zu empfehlen ist. Das gilt allgemein für die Lebensqualität und die Lebenserwartung der Männer und insbesondere in den fortgeschrittenen Jahren sowie bei Prostatabeschwerden.

Die Lebenserwartung, d.h. die Zahl der Jahre, die ein Neugeborener nach den herrschenden Sterbeverhältnissen eines Beobachtungszeitraumes im Durchschnitt leben wird, liegt nach zwei parallel durchgeführten Studien des Berliner Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) und des Frankfurter Instituts für Medizinische Statistik (IMS) in den neuen Ländern bei den Männern bei 70,7 Jahren und den Frauen bei 78,2 Jahren, in den alten Ländern bei den Männern bei 73,5 Jahren und den Frauen bei 79,8 Jahren [7]. Die Lebenserwartung der Männer ist danach in Deutschland 6,3 bis 7,5 Jahre geringer als die der Frauen. Für den "frühen" Tod des starken Geschlechts werden als Ursachen falsche Ernährung, Alkohol- und Tabakmißbrauch, Rücksichtslosigkeit gegen den eigenen Körper und geschlechtsspezifische Nachteile der Männer angeführt [8]. Dazu dürfte aber auch bei etwa 5,5 Mio. Deutschen mit Prostata-Problemen eine ungenügende Harnentleerung beitragen [5].

Die angesprochenen Problemstellungen des Harnlassens der Männer in stehender Stellung und damit auch der Urinalanlagen sind in einfachster Weise mit dem Klosett und dessen Benutzung in sitzender Stellung zu lösen. Im Sinne der Hygiene - der Gesundheitslehre und -pflege - kommt es darauf an, die Einsicht zu vermitteln, daß eine Harnentleerung in sitzender Stellung gründlicher als in stehender Stellung erfolgt und daher gesundheitlich vorteilhafter ist. Den Urinalanlagen kann daher nur eine gewisse Berechtigung in stark frequentierten öffentlichen und betrieblichen Abortanlagen zugesprochen werden. Für den privaten Bereich ist ihre Verwendung nicht vertretbar.

 


L i t e r a t u r :

[1] Kira, Alexander: Das Badezimmer, 1987. Krammer Verlag Düsseldorf.

[2] Havelock Ellis, op. dit., 392, 393.

[3] Zetkin, Maxim u. Schaldach, Herbert: Wörterbuch der Medizin, 15. Auflage 1992. Ullstein Mosby, Berlin.

[4] Der große Brockhaus, 1954. F. A. Brockhaus, Wiesbaden.

[5] Mittel gegen ein Leiden, über das Männer ungern sprechen, WELT am SONNTAG vom 27.10.96. Axel Springer Verlag, Hamburg.

[6] Feurich, Hugo: Forschungsbericht Untersuchungen zur Wassereinsparung bei der Klosettspülung und zu kleineren Rohrweiten bei der hydraulischen Dimensionierung der Zufluß- und Abwasserleitungen, 1998. Brandenburgische Technische Universität Cottbus.

[7] Studie: Wessis sind gesünder als Ossis, ADN Berlin, DIE WELT vom 26.5.98.

[8] Krieger, Dorit: Gründe für den frühen Tod des starken Geschlechts, DIE WELT vom 20.8.98.


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