IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 24/1996, Seite 48 ff.


HEIZUNGSTECHNIK


Entgasung und Entschlammung von Heizungsanlagen

Jürgen Makarczuk

Mikroblasen und ihr negativer Einfluß in Heiz- und Kühlkreisläufensind ein seit langem bekanntes, jedoch unzureichend gelöstes Problem.Dieser Artikel stellt zwei Lösungen vor, den Absorptionsentlüfterauf Temperaturbasis und den Druckstufenentgaser.

Allgemeines

Zentralheizungsanlagen werden mit normalem Leitungswasser gefüllt.Auch die erforderliche Nachspeisung wird mit Leitungswasser durchgeführt.Dieses Wasser enthält einen hohen Luftanteil und kann bei einer Nachspeisungals übersättigt bezeichnet werden. Auch bei sorgfältigstemAuffüllen der Zentralheizungsanlage wird sehr viel Luft eingetragen.Bei Inbetriebnahme der Anlage kommen dann noch Faktoren hinzu, die denLuftanteil im Wasser noch weiter ansteigen lassen. Insbesondere entstehenMikroblasen durch:

- Temperaturerhöhung,
- Druckunterschiede,
- Elektrolysen,
- chemische Reaktionen.

Luft in Wärme- und Kälteträgersystemen verursacht erheblicheStörungen, Wirkungsgradverluste und Kosten:

- Geräuschbildung
- unterbrochene Zirkulation,
- reduzierte Pumpenleistung,
- Kavitation und Korrosion,
- Lagerschäden an Pumpen,
- Wartungs- und Reparaturkosten.

In einer Zentralheizungsanlage wird der größte Teil der zunächstim Wasser gelösten Luft an der heißesten Stelle und am höchstenPunkt freigesetzt, also vornehmlich unmittelbar hinter dem Kessel im Vorlauf.Durch Abkühlung im Rohrsystem entsteht die gegenläufige physikalischeSituation, d.h., die freigewordenen Mikroluftblasen werden dann wiedervom Wasser aufgenommen. Diese Absorptionsvorgänge* laufen nach demHenry’schen Gesetz ab.

Bild 1: Löslichkeit von Luft in Wasser bei 1 bar.

Entstehung von Mikroluftblasen

Freie Mikroluftblasen bilden sich an der Feuerraumwand des Kessels,wenn sauerstoffhaltiges bzw. lufthaltiges Wasser erhitzt wird. Die natürlicheEigenschaft von Wasser ist die Verminderung des Aufnahmevermögensvon Luft bei steigender Temperatur. Bei Abkühlung des Wassers erfolgtwiederum der umgekehrte Prozeß. Luft wird absorbiert, um das gestörteGleichgewicht wieder herzustellen. Diese Gesetzmäßigkeit wirdgenutzt, um freiwerdende Luft im System mittels eines Entgasers kontinuierlichabzuleiten. Die ständige Wiederholung dieses Prozeßablaufesbewirkt, daß der Luftanteil im Heizungssystem gegen Null reduziertwird.

Große, im Heizungswasser vorliegende Luftblasen werden durch diePumpe zu Mikroblasen zerschlagen und vom Wasserkreislauf in alle Bereichedes Heizungssystems transportiert. Der zum Kessel hin kälter werdendeRücklaufstrom absorbiert die Mikroblasen. Im Kessel beginnt dann durchErwärmung der Prozeß von neuem mit der Ausbildung von Mikroluftblasen.

In Bild 1 wird die Löslichkeit von Luft, bestehend aus ca. 22%Sauerstoff und ca. 76% Stickstoff, bei 1 bar dargestellt. Es zeigt sich,daß Wasser bei 10°C ca. 23 Promille seines Volumens an Luft aufnehmenkann, bei 90°C jedoch nur 3 Promille. Bild 2 zeigt die Löslichkeitvon Luft in Wasser bei unterschiedlichen Drücken.

Bild 2: Löslichkeit von Luft in Wasser bei verschiedenen Drücken.

Diese wichtige Gesetzmäßigkeit ist Grundlage der Funktionder Entgaser und Entlüfter: Wasser nimmt bei Temperaturminderung und/oderDruckerhöhung Luft auf. Wasser gibt bei Temperaturerhöhung und/oderDruckentspannung Luft ab. Dieser physikalische Sachverhalt wird von denEntgasern und Entlüftern umgesetzt.

Umfangreiche Versuche haben eine Luftreduzierung auf 4 Promille derAusgangskonzentration ergeben. Es wurden folgende Ergebnisse erzielt:

- durch Absorption sank der Luftgehalt des Wassers innerhalb von 4 bis6 Stunden auf die Hälfte seines Volumens,

- durch Absorption sank der Luftgehalt letztlich auf ca. 4 Promilleder Ausgangskonzentration,

- nicht zirkulierende Luftblasen waren völlig verschwunden,

- die Strömungsgeschwindigkeit bestimmt die Entgasungsgeschwindigkeit,

- Staubpartikel beeinflussen die Entgasungsgeschwindigkeit positiv.

Absorptionsentlüfter auf Temperaturbasis

Es ist bekannt, daß zu hohe Strömungsgeschwindigkeit in hydraulischenSystemen das Absetzen und Abscheiden von Schmutz- und Gasfracht unmöglichmacht. Andererseits ermöglicht die gezielte Reduktion der Strömungsgeschwindigkeit,diese Schadstoffe dort abzusetzen, wo deren Abscheidung erwünschtist. Dies ist im vorliegenden Fall die Abscheidekammer des Entgasers (Bild3).

Bild 3: Schnitt durch einen Mikroluftblasenabscheider mit Entschlammer.

Funktion

Das mit Schlammpartikeln und mit Gas belastete Wasser wird durch dieErwärmung in seinem Lösungsvermögen für Gase so verändert,daß gelöste Gase in schwimmende Blasen kleinster Größenordnungverwandelt werden. Dieses Gemisch trifft auf den Blasenseparator im Entgaser.Hier werden die zirkulierenden Schmutzpartikel und die Gasblasen abgesondert.Gas tritt nach oben in den Gassammelraum, Schmutz sinkt nach unten in denSchlammraum. Das Gas wird ausgetrieben und der angesammelte Schlamm sollin geeigneten Zeitintervallen, anfänglich öfter, späterin größeren Abständen abgelassen werden. Je größerdie Erwärmung des Wassers, um so schneller wird die Anlage von Gaseinschlüssenbefreit.

Abgeschiedenes Gas tritt in den Gassammelraum ein. Der auf der Wasseroberflächeliegende Schwimmer hängt lose an der mit dem Ventilverschlußverbundenen Kette (Bild 3). Ein Verhaken des Schwimmers ist nicht möglich.Angesammelte Gase vergrößern das Gasvolumen und drückendas Wasser nach unten. Damit sinkt der Wasserspiegel, der Schwimmer öffnetmit seinem Gewicht durch Ankippen des Verschlusses das Ausblasventil. Gaswird ausgetrieben und das Gasvolumen reduziert, der Wasserspiegel steigtwieder, und das Ventil schließt. Da vor dem Ventilsitz immer einGaspolster erhalten bleibt, wird Schmutz und Wasser ferngehalten, so daßer vor Verkleben und Undichtigkeit bewahrt wird.

Automatische Druckstufenentgaser für große Anlagen

Bei Heizungsanlagen, in denen ein großer statischer Höhenunterschiedvorliegt, kann durch unterschiedliche thermische Belastungen im Wassergelöste Luft nicht vollständig frei werden. Die Lösung istder Mikroblasen-Luftabscheider, der auf der Basis des gezielten Druckabfallsarbeitet und entlüftet (Bild 4).

Bild 4: Druckstufenentgaser (dargestellt ohne Gehäuse).

Das Bild 5 zeigt, daß 1 m3 Wasser bei 20°C und1 bar Überdruck ca. 38 Liter Luft absorbieren kann. Wird dieses Wassernun auf 80°C erwärmt, was etwa der maximal auftretenden Vorlauftemperatureiner normalen Warmwasserzentralheizung entspricht, kann bei einem Überdruckvon 2 bar, was einer statischen Höhendifferenz von 20 m entsprechenwürde, das so gesättigte Wasser nur geringfügig wenigerLuft in Absorption halten, nämlich etwa 28 Liter. Das bedeutet, daßz.B. bei Anlagen mit tiefliegendem Kessel ein Freiwerden von Gasen durchErwärmen zum Teil unmöglich ist. Dies erklärt, daßbei Anlagen ab bestimmter statischer Höhen der Einsatz eines Druckstufenentgaserssinnvoll ist. Man kann aber auch daraus ableiten: Je höher die Temperaturdifferenzin einem System ist, um so höher darf auch die Druckdifferenz biszur Funktionsgrenze des Absorptionsentgasers sein.

Bild 5: Löslichkeit von Luft in Wasser bei verschiedenen Drückenund Temperaturen.

Funktion

Der Druckstufenentgaser macht sich das Henry‘sche Gesetz zunutze. Diesesnach dem Physiker Henry genannte Gesetz zeigt, daß die Löslichkeitvon Gasen im Wasser unter anderem vom Druck abhängt. Bei hohem Druckkann das Wasser mehr Gas lösen, bei tiefem Druck weniger. Durch denDruckstufenentgaser nach Bild 4 wird der Heizungsanlage in regelmäßigenIntervallen eine bestimmte Wassermenge entzogen und in einem Druckbehälterin einen Unterdruckzustand versetzt. Das Wasser wird so gezwungen, dengrößten Teil seines gelösten Gases abzugeben. Anschließendwird das ausgetretene Gas über eine Spezialarmatur abgeschieden. DieArmatur ist so ausgebildet, daß sie für Gas nur von innen nachaußen durchlässig ist, nicht aber umgekehrt. Der Entgasungszyklussetzt sich aus drei Phasen zusammen (Bild 6):

Phase A) Bei geöffnetem Ventil 3 läuft die Pumpe 1, der Behälter2 wird gespült und mit gasreichem Wasser aus der Anlage gefüllt.
Phase B) Ventil 3 schließt, Pumpe 1 erzielt einen Unterdruck im Behälter2, was dazu führt, daß Gas aus dem Wasser entweicht und sichoben im Behälter sammelt.
Phase C) Ventil 3 öffnet. Über die Spezialarmatur 4 wird dasGas abgeschieden.

Der Entgasungsvorgang wird durch eine überlagerte Sprühentgasungnoch verstärkt. Dies führt besonders bei höheren Wassertemperaturenzu sonst unerreicht gutem Wirkungsgrad.

Beim Einsatz einer Pumpe besteht die Gefahr von Ausgasung bzw. Verdampfungin der Pumpe; damit droht deren Zerstörung. Es wird deshalb regelmäßigein Pumpenstop mit separatem Entlüftungsvorgang des Pumpenkörperseingeschaltet (Position 5 in Bild 6).

Bild 6: Schematische Darstellung der Funktionsphasen eines Druckstufenentgasers.

Die wasserführenden Leitungen im Druckstufenentgaser sowie derEntgasungsbehälter sind gedämmt; damit wird der Wärmeverlustminimiert. Bei Einsatz in Kühlanlagen werden Schwitzwassererscheinungen(Kondensation an den Armaturen) vermieden.

Einsatzbereich

Der Druckstufenentgaser kann sowohl in Heizungsanlagen als auch in Kühlanlageneingesetzt werden. Er ist grundsätzlich an jedem beliebigen Ort desSystems anschließbar. Bei Heizungssystemen muß lediglich daraufgeachtet werden, daß am Anschlußpunkt keine Temperaturen über80°C entstehen.

Integrierte Nachfüllautomatik

Die Konstruktion des Druckstufenentgasers verhindert jeglichen Wasserverlustbeim Entgasungsvorgang. Es besteht keine offene Verbindung zur Atmosphäre,und es kann keine neue Aufgasung sowie Sättigung des Wassers mit Umgebungslufterfolgen. Durch die intensive Entgasungsarbeit fehlt im System nach einigerZeit das in Form von Gas entfernte Volumen. Dieses wird aus den Ausdehnungsgefäßenersetzt. Für einen vollautomatischen Betrieb muß jedoch derAnlageinhalt überwacht und bei Bedarf automatisch nachgefülltwerden. Die Druckstufenentgaser sind deshalb mit einer integrierten Nachfülleinrichtungausgerüstet. Die nachgefüllte Wassermenge kann am Wasserzählerjederzeit festgestellt werden. Sollte infolge einer Leckage im System eingrößerer Wasserverlust auftreten, ist die Verlustmenge jederzeiterkennbar. Die Automatik überwacht den Nachfüllvorgang. Dauerter länger als die gewählte Maximalzeit, erfolgt eine Störungssignalisation.

Wenn der Nachfüllvorgang abgeschlossen ist, wird zunächstdas nachgefüllte Wasser entgast, erst danach wird der normale Funktionszyklusfortgesetzt, d.h. nur gasfreies Wasser gelangt über die automatischeNachspeisung in das Installationssystem.

Zusammenfassung

Gas- und Schlammpartikel in Heizungs- und Kühlsystemen sind unerwünschtund richten viele Schäden u.a. durch Korrosion an. Es stehen jedochgeeignete Geräte zur Verfügung, die ohne Chemikalienzusatz dieAnlage sauber halten.


* Absorption: (allg.) Aufnahme eines Gases oder Dampfesdurch feste Körper oder Flüssigkeiten unter vollständigerDurchdringung; (hier) die Luft löst sich im Wasser und liegt atomarvor.


B i l d e r : Pneumatex GmbH


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