IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 21/1996, Seite 62 ff.


GASTECHNIK


Gasinstallation

in Wohngebäuden

Prof. Dr.-Ing. Rudolf Rawe

Teil 40

8. Abgasanlagen (Fortsetzung)

8.8.1 Schornsteinaufsätze

Schornsteinaufsätze sollen in erster Linie die Zugverhältnisse verbessern und die Auswirkungen einer ungünstigen Schornsteinanordnung bzw. einer ungenügenden Schornsteinhöhe ausgleichen. Es gibt eine Vielzahl von Ausführungen auf dem Markt. Um ihre Wirksamkeit zu überprüfen, hat die Fachhochschule Münster in der Schornsteinfeger-Meisterschule in Dülmen umfangreiche Untersuchungen an Schornsteinmündungen ohne bzw. mit Aufsätzen durchgeführt [1].

Bild 1: Untersuchte Schornsteinmündungen.

Die Güte eines Schornsteinaufsatzes bei Windeinfall kann nur dann beurteilt werden, wenn man einen Vergleich mit der normalen Schornsteinmündung ziehen kann. Deshalb wurden zunächst drei unterschiedlich große normale Schornsteinköpfe ohne und mit Abdeckplatte untersucht (Bild 1). Daran schloß sich die Untersuchung der in Bild 2 dargestellten Schornsteinaufsätze an.

Bild 2: Untersuchte Schornsteinaufsätze.

Ergebnisse ohne Schornsteinaufsatz

Um das Verhalten eines normalen Schornsteinkopfes (40 x 40 cm mit einem Innenrohrdurchmesser von 130 mm) beurteilen zu können, wurden die bei verschiedenen Windgeschwindigkeiten zwischen Schornstein und Umgebung gemessenen Druckdifferenzen über dem Anströmwinkel aufgetragen (Bild 3). Man erkennt, daß mit steigender Anströmgeschwindigkeit zwar die Druckdifferenzen größer werden, das strömungstechnische Verhalten aber ähnlich bleibt. So tritt unabhängig von der Anströmgeschwindigkeit bei Anströmwinkeln > 13° grundsätzlich Überdruck im Schornstein auf. Kleinere Anströmwinkel bewirken generell Unterdruck, mit einem maximalen Wert zwischen ß = -10° und ß = 0°.

Bild 3: Druckverlauf bei normaler Schornsteinmündung (40 x 40 cm).

Die in Bild 3 erkennbare strömungsmechanische Ähnlichkeit läßt eine einheitliche Darstellung aller Ergebnisse zu, wenn die Meßwerte dimensionslos aufgetragen werden. Dazu bezieht man die Druckdifferenz im Schornstein auf den Staudruck der Anströmung. Der so ermittelte Wert wird Druckbeiwert cp genannt. Er ist für alle Geschwindigkeiten nahezu gleich und nur noch vom Anströmwinkel abhängig (Bild 4).

Bild 4: Dimensionslose Darstellung des Druckverlaufes mittels der Druckbeiwerte bei normaler Schornsteinmündung
(40 x 40 cm).

Ergebnisse mit Schornsteinaufsatz

Bild 5 stellt den positiven Einfluß des Schornsteinaufsatzes im Vergleich zur ungeschützten Schornsteinmündung dar. Er bewirkt im gesamten untersuchten Winkelbereich einen Unterdruck im Schornsteinsystem. Auffallend ist der ausgeglichene, fast lineare Kurvenverlauf, so daß unabhängig von Anströmwinkel und Anströmgeschwindigkeit gleichmäßige Zugverhältnisse erreicht werden. Die positive Wirkung von Schornsteinaufsätzen besteht demnach nicht in einer Erhöhung der Zugstärke, sondern in der Sicherstellung des Unterdruckes über den gesamten Winkelbereich des Windeinfalles.

Bild 5: Vergleich von Druckbeiwerten ohne/mit Schornsteinaufsatz "Orkan".

Anwendungsbereiche von Schornsteinaufsätzen

Dies eröffnet einen wichtigen Anwendungsbereich bei der Aufstellung von Gasgeräten mit Abgasüberwachungseinrichtungen in Wohnungen. Der Abgassensor befindet sich im Bereich der Strömungssicherung. Er schaltet bei Stau oder Rückstrom im Schornstein nach einer gewissen Zeit das Gerät ab. So wird verhindert, daß Abgas in den Raum austritt.

Bild 6: Winkelabhängigkeit der Grenzgeschwindigkeit beim normalen Schornsteinkopf.

Wenn nicht eine mangelhafte Verbrennungsluftversorgung, sondern die ungünstige Anströmung der Schornsteinkrone für den Rückstau verantwortlich ist, können Schornsteinaufsätze Abhilfe schaffen. Um dies zu belegen, wurde an einem Umlauf-Gaswasserheizer das Ansprechverhalten des Abgassensors in Abhängigkeit vom Anströmwinkel und der Windgeschwindigkeit untersucht. Es zeigte sich, daß bei einer normalen Ausbildung des Schornsteinkopfes das Gerät ab einem bestimmten Strömungswinkel schon bei geringen Windgeschwindigkeiten abgeschaltet wird (Bild 6). Bei Verwendung eines Schornsteinaufsatzes konnte die Feuerstätte unabhängig von Windgeschwindigkeit und Anströmwinkel betrieben werden.

Abgasverlust und feuerungstechnischer Wirkungsgrad

Wird eine Schornsteinmündung "normal", das heißt mit dem Winkel ß = 0° angeströmt, dann steigt mit der Windgeschwindigkeit auch der Unterdruck. Das verursacht je nach Feuerstätte eine mehr oder weniger starke Erhöhung der Abgasverluste. Sie kann durch die Verwendung von Schornsteinaufsätzen gedämpft werden. Die Auswirkungen werden in Bild 7 dargestellt. Es vergleicht die Abgasverluste bei Verwendung eines normalen Schornsteinkopfes mit denen des Schornsteinaufsatzes "Orkan" bei horizontaler Anströmung. Man erkennt eine erhebliche Verbesserung.

Bild 7: Einfluß der Windgeschwindigkeit (horizontale Anströmung) auf den Abgasverlust (Vergleich ohne/mit Schornsteinaufsatz "Orkan").

8.8.2 Nebenluftvorrichtungen

Nebenluftvorrichtungen (NLV) nach DIN 4795 sollen einen zu hohen Unterdruck im Schornstein verhindern, indem sie Umgebungsluft (= Nebenluft) in den Schornstein einleiten. Deshalb wurden sie früher auch als Zugbegrenzer bezeichnet. Sie werden grundsätzlich so eingestellt, daß - unabhängig vom tatsächlichen Schornsteinzug - am Stutzen des Wärmeerzeugers nur der minimal erforderliche Unterdruck herrscht (Bild 8).

Bild 8: Prinzipskizze eines Zugbegrenzers.

Das hat zur Folge, daß bei Betrieb der Feuerstätte die geringstmöglichen Abgasverluste und bei Stillstand die geringstmöglichen Auskühlverluste auftreten. Mit Hilfe der Nebenluftvorrichtungen läßt sich daher Energie sparen. Außerdem verringern sie die Gefahr der Schornsteindurchfeuchtung: Durch die Zumischung von Raumluft bildet sich beim Betrieb der Feuerstätte wegen der Taupunktabsenkung an der Schornsteinmündung kein bzw. weniger Wasserdampf; bei Stillstand ermöglicht die ventilierende Raumluft eine Austrocknung des Schornsteins.

Die Auswirkungen von NLV auf die rechnerische Auslegung von Schornsteinen werden in Kapitel 8.9.3 vorgestellt.

Bauarten

Je nach Funktion und Anwendung unterscheidet man bei Nebenluftvorrichtungen zwischen drei Bauarten.

Selbsttätige Nebenluftvorrichtungen oder Zugbegrenzer geben in Abhängigkeit von der Druckdifferenz zwischen Schornstein und Aufstellraum eine Öffnung frei (Bild 9). Durch diese strömt Nebenluft in den Schornstein ein und hält den Unterdruck konstant. Die Regelscheibe stellt sich so ein, daß Gleichgewicht zwischen den öffnenden Kräften aus dem Schornsteinauftrieb und den schließenden Kräften des Einstellgewichtes herrscht (vgl. Bild 8).

Bild 9: Selbsttätige Nebenluftvorrichtung (Zugbegrenzer).
(Bild: Kutzner + Weber)

Mit sinkendem Schornsteinzug (kalter Schornstein) nimmt der Trocknungseffekt durch Nebenluft ab. Er entfällt ganz, wenn der Einstellwert unterschritten wird und die Klappe sich nicht mehr öffnet. Zur Sicherstellung des Mindest-Förderdruckes muß der Einstellwert mindestens 10 Pa betragen.

Zwangsgesteuerte Nebenluftvorrichtungen stellen auch bei Stillstand der Feuerstätte eine Austrocknung des Schornsteins sicher. Sie geben durch Einsatz von Hilfsenergie (Motorsteuerung) während der Stillstandszeit eine Öffnung frei, durch die Nebenluft zur Durchlüftung des Schornsteins einströmt (Bild 10).

Bild 10: Zwangsgesteuerte Nebenluftvorrichtung für Großanlagen. (Bild: Kutzner + Weber)

Kombinierte Nebenluftvorrichtungen vereinen die Funktionen eines Zugbegrenzers und einer zwangsgesteuerten Nebenluftvorrichtung. Dadurch werden bei Betrieb des Brenners der konstante Schornsteinauftrieb und im Stillstand die Durchlüftung des Schornsteins erreicht (Bild 11).

Bild 11: Kombinierte Nebenluftvorrichtung mit Anschlußstück am Abgasrohr. (Bild: Kutzner + Weber)

Häufig werden Nebenluftvorrichtungen auch in Verbindung mit Abgasklappen eingebaut, die den Heizkessel während der Stillstandszeiten gegenüber dem Schornstein dicht abschließen, um die Betriebsbereitschaftsverluste der Feuerstätte gering zu halten. Gleichzeitig wird über die Nebenluftvorrichtung eine Öffnung hinter der dichtschließenden Abgasklappe freigegeben (Bild 12).

Bild 12: Zwangsgesteuerte Nebenluftvorrichtung mit Abgasklappe. (Bild: Kutzner + Weber)

Auswahl von Nebenluftvorrichtungen

Nebenluftvorrichtungen teilt man nach der Luftleistung bei einer vorgegebenen Druckdifferenz in sechs Gruppen ein. Dabei hängen die Einsatzgrenzen jeder Gruppe von Höhe, Querschnitt und Bauart des Schornsteins sowie von der Heizleistung der Feuerstätte ab.

Die richtige Auslegung von Nebenluftvorrichtungen wird durch Tabellen, Diagramme oder Auswahlschieber der Hersteller erleichtert. Mit Hilfe der in Bild 13 gezeigten Diagramme beispielsweise kann man für Anlagen bis 500 kW je nach Ausführung, Höhe und Querschnitt bzw. Durchmesser des Schornsteins den geeigneten Zugbegrenzer ermitteln.

Bild 13: Hersteller-Diagramme zur Auslegung von Nebenluftvorrichtungen. (Bild: Kutzner + Weber)

Beispiel:
Schornsteinhöhe 15 m, Bauart III,
Querschnitt 800 cm2

Maßgebend ist Diagramm 2. Eine waagerechte Linie bei 15 m und eine senkrechte Linie bei 800 cm2 treffen sich auf der Grenzlinie Z 150. Geeignet sind alle Zugbegrenzer-Größen, die rechts von diesem Schnittpunkt liegen.

Liegt der Schnittpunkt außerhalb der Grenzlinien des Diagramms, so kann man die notwendige Luftleistung und damit die Anzahl der benötigten Nebenluftvorrichtungen überschlägig mit der nachfolgenden Formel bestimmen:

Nebenluftmenge in m3/h = Schornsteinquerschnitt in m2 x Höhe in m x Grenzleistung des Schornsteins in kW.

Anordnung von Nebenluftvorrichtungen

Nebenluftvorrichtungen müssen in der Regel aus zwei Gründen im Aufstellraum der Feuerstätte angeordnet sein. Zum einen haben sie die Aufgabe, überschüssigen Schornsteinzug so abzubauen, daß am Stutzen der Feuerstätte nur der Mindestzug wirkt. Sie müssen deshalb gegen den gleichen Referenzdruck arbeiten wie die Feuerstätte. Das ist nur möglich, wenn Gerät und Nebenluftvorrichtung im gleichen Raum angeordnet sind.

Zum anderen soll im Brandfall ein Übergreifen des Feuers auf andere Brandabschnitte vermieden werden. Das ist nur möglich, wenn die Nebenluftvorrichtung im Aufstellraum angeordnet ist, da dieser gemeinsam mit dem Schornstein einen Brandabschnitt bildet.

Aus den gleichen Gründen ist der Einbau von Nebenluftvorrichtungen bei Mehrfachbelegung des Schornsteins unzulässig.

In der Praxis besteht jedoch oft der Wunsch, bei Schornsteinen, an die mehrere Gasfeuerstätten mit Brenner ohne Gebläse angeschlossen sind, nur einen Zugbegrenzer gegen zu hohe Abgasverluste und gegen Nässeschäden einzubauen (z.B. im Keller). Die Bauordnungen verschiedener Länder ermöglichen in diesen Fällen mit Zustimmung des Bezirksschornsteinfegers den Einbau unabhängig vom Aufstellort der Feuerstätte. Voraussetzung ist, daß im Aufstellraum der Gasfeuerstätte(n) und am Montageort des Zugbegrenzers ähnliche Druckverhältnisse herrschen. Dies kann angenommen werden, wenn die Räume die gleiche Fensterrichtung haben und die Zuluftmenge vergleichbar ist. In jedem Fall ungeeignet als Montageort für einen Zugbegrenzer sind Räume mit Entlüftungsanlagen (z.B. Trockner) sowie das Treppenhaus.

Bild 14: Einbauarten von Nebenluftvorrichtungen.

Nebenluftvorrichtungen können sowohl an der Feuerstätte als auch im Verbindungsstück oder im Schornstein eingebaut werden. Beim Einbau im Schornstein müssen sie mindestens 40 cm oberhalb der Schornsteinsohle angeordnet werden. Die zweckmäßigste Einbauart ergibt sich aus den gestellten Anforderungen (Bild 14).

Einbauart 1

Sehr gute Regelung des für den Wärmeerzeuger notwendigen Förderdruckes, eingeschränkter Trocknungseffekt bei langem Abgasrohr bzw. kleinem Abgasrohrquerschnitt Q1 im Verhältnis zum Schornsteinquerschnitt Q2.

Einbauart 2 und 3

Guter (2) bis sehr guter (3) Trocknungseffekt, gute Regelung, nachträgliche Montage am Einbauort 3 nur bei gemauerten Schornsteinen möglich. Bei mehrschaligen Konstruktionen Montage nur durch Fachfirmen.

Einbauart 4

Regelung und Trocknung eingeschränkt. Montage ist jedoch bei Festbrennstoffkesseln wegen der geringeren Verschmutzungsgefahr zu empfehlen.

Einstellung und Funktionsprüfung

Damit optimale Betriebsbedingungen für die Feuerstätte vorliegen und der maximale Effekt für die Trocknung des Schornsteins erreicht wird, muß der Zugbegrenzer auf den "Mindest-Zugbedarf" der Feuerstätte eingestellt werden. Dieser ist auf dem Typenschild oder in der Montageanweisung der Feuerstätte angegeben. Bei Anlagen mit Brennern ohne Gebläse oder Heizkesseln mit kleiner Leistung reicht in der Regel ein Zugbedarf von 10 Pa.

Bei zu hoch eingestelltem Zugbedarf steigt der Abgasverlust und damit der Energieverbrauch der Anlage. Außerdem öffnet die Regelscheibe später und gibt damit für die Nebenluft einen geringeren Querschnitt frei. Zugleich schließt der Zugbegrenzer nach dem Abschalten der Feuerung früher, so daß die Belüftung des Schornsteins abnimmt.

Wird ein Zugbegrenzer zu niedrig eingestellt und damit der erforderliche Zugbedarf für die Feuerstätte nicht erreicht, so ist mit Störungen der Verbrennung zu rechnen. Mögliche Folgen sind ein Zurückschlagen der Brennerflammen, Rußablagerungen an den Heizflächen und/oder im Verbindungsstück sowie ein längerer Abgasaustritt an der Strömungssicherung bei Gasfeuerstätten mit Brennern ohne Gebläse.

(Fortsetzung folgt)


B i l d e r, wenn nicht extra angegeben: Information Erdgas, Essen.


L i t e r a t u r

[1] Rawe, R.; Göddeke, H.; Özcan, A. Y.; Postulka, M.: Aerodynamische Untersuchungen an Schornsteinaufsätzen. HLH Bd. 44 (1993) Nr. 5.


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